„Wie schon 2006 ein bislang wenig bekanntes Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth zeigt, entziehen die Franken Kunden Versicherungsschutz gerade dann, wenn die ihn am nötigsten brauchen. Trotz Gerichts-Klatsche und GDV-Verhaltenskodex stehen die Kundeninteressen weiterhin nicht im Mittelpunkt, wie ein Blick in die AVB – mit Haftungsfalle für Versicherungsmakler – zeigt.“ Das konstatierten wir vor über einem Jahr (vgl. ‚vt‘ 36/17) zum kunden- und versicherungsmaklerunfreundlichen Verhalten der Nürnberger Lebensversicherung AG, die bei ihrer BU-Versicherung den Versicherungszweck konterkarierte. Dazu ein Blick zurück: In der bis zu unserer Veröffentlichung kaum bekannten Entscheidung des LG Nürnberg-Fürth vom 26.06.2006 (Az.: 11 O 1494/06) klagte ein VN der Nürnberger wegen seiner BU-Zusatzversicherung. Vereinbart war eine planmäßige Erhöhung der Beiträge und Leistungen ohne erneute Gesundheitsprüfung. Wegen Erkrankung nahm der Versicherte zwischen 2004 und 2005 für knapp ein Jahr die BU in Anspruch. Danach verweigerte ihm der Versicherer weitere Beitragserhöhungsmöglichkeiten unter Hinweis auf § 5 der Bedingungen Nr. 416 mit der Begründung, dass nach Inanspruchnahme der Leistungen keine Berechtigung mehr bestehe, eine dynamische Fortführung zu verlangen. Die Überschrift von § 5: „Wann werden Erhöhungen ausgesetzt?“ Widersprüchlich zum Wort „ausgesetzt“ heißt es in § 5 Abs. 4: „Ist in Ihrer Versicherung eine Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung mit eingeschlossen, erlischt das Recht auf Erhöhungen, wenn der Versicherte ganz oder teilweise berufs- bzw. dienstunfähig geworden ist.“ Das LG gab dem auf Fortsetzung der Dynamik klagenden VN Recht, da die von der Nürnberger verwendeten Versicherungsbedingungen unklar seien und daher die dem Kläger günstigere Auslegung zugrunde zu legen sei. Das Gericht stützte sich dabei auf den Inhalt der Überschrift von § 5, die üblicherweise den Kern der in einem Paragraphen getroffenen Regelung zusammenfassend wiedergibt. Das Wort „aussetzen“ verweise „(…) auf eine vorübergehende Nichtanwendung, nicht jedoch auf einen endgültigen Wegfall der Erhöhungsmöglichkeit“. Weshalb die Erhöhungsmöglichkeit nach Wegfall der Berufsunfähigkeit automatisch wieder einsetzen solle, erklärten die Richter dahingehend, „(…) dass die Erhöhungsmöglichkeit im Hinblick auf die üblicherweise lange Vertragsdauer und den Sicherungszweck des Vertrages die Steigerung der Lebenshaltungskosten auffangen soll, auch wenn möglicherweise gleich am Anfang der Vertragslaufzeit für eine kurze Dauer Berufsunfähigkeit (…)“ eingetreten ist.
Was die Nürnberger aus dieser Entscheidung gemacht hatte, prüfte die Arbeitsgemeinschaft Unabhängiger Versicherungsmakler (AUV) anhand der „Besonderen Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Versicherung mit Nürnberger Plus (GN294210_201702)“ in der Fassung vom 09.05.2017. Versicherungsmakler Martin Flach, Geschäftsführer Flach, Wolf & Partner GmbH/Frankfurt, der für einen Kunden das LG-Urteil begleitet hatte und zu den Gründern der AUV gehört, stellte fest: „Nach wie vor benutzt die Nürnberger bei ihrem § 5 die vom Gericht beanstandete Überschrift ‚Wann werden Erhöhungen ausgesetzt?‘, um dann unter Abs. 4 zu schreiben: ‚Bei Eintritt eines Versicherungsfalles erlischt das Recht auf Erhöhungen.‘ Der Wegfall der Dynamisierung wird trotz des Urteils nach wie vor unter der Überschrift dieses Paragraphen versteckt.“ In Abs. 4 geändert hatte der Versicherer dann folgendes: „Im Falle der ersten Reaktivierung lebt das Recht auf Erhöhungen wieder auf, wenn unsere Leistungspflicht längstens 24 Monate bestanden hat.“ Damit gewährten die Franken eine Dynamik nach einem Leistungsbezug einerseits nur einmalig und andererseits auch nur dann, wenn dieser nicht mehr als zwei Jahre andauerte. Andernfalls soll das Recht auf Erhöhungen verwirkt sein.
Versicherungsmakler Flach kommentierte diese Handhabung so: „Ich kenne keinen anderen Versicherer, der solche Formulierungen bzw. Einschränkungen hat. Dort wird das Recht auf ‚Aussetzung der Erhöhungen‘ ohne erneute Gesundheitsprüfung nur auf die Zeit beschränkt, in der Leistungen wegen Berufsunfähigkeit bezogen werden. Danach wird überall die sogenannte Dynamik wieder in Kraft gesetzt, und zwar ohne erneute Gesundheitsprüfung und ohne Einschränkungen der Häufigkeit und Dauer der Leistungen.“ In unserem Fazit kritisierten wir das Verhalten der Nürnberger deutlich: „Ganz offensichtlich will der Versicherer Risiken gerade in den Fällen minimieren, in denen ihm erhöhte Inanspruchnahmen aus BU-Leistungsansprüchen drohen. Dieses Verhalten ist rein profitgetrieben und entspricht dem Gegenteil der eigenen Kundeninformations-Ansprache in Bezug zum eigentlichen Zweck einer BU, ‚Gegen dieses Risiko sollten Sie 100%ig abgesichert sein‘. Gerade wenn es regnet, wird ein Regenschirm benötigt. Die Nürnberger verspricht Regenschirme, doch wenn es regnet, rückt sie diese nicht raus. Eine gefährliche Haftungsfalle für Versicherungsmakler!“ Über das Urteil haben wir seit September 2017 eine breite Leserschaft informiert und den Urteilstext unseren regelmäßigen ‚vt‘-Lesern empfohlen. Nachdem zuvor 11 Jahre ohne die dringend notwendige Korrektur vergangen waren, zeigte das endlich Wirkung. Ulrich Zeidner von der Unternehmenskommunikation der Nürnberger Versicherungen legte kürzlich die Seiten zu „Besondere Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Versicherung mit Nürnberger Plus“ vom 22.08.2018 vor. Darin ist Abs. 4 innerhalb „§ 5 Wann werden Erhöhungen ausgesetzt?“ ersatzlos gestrichen! Dazu Versicherungsmakler Martin Flach: „Wir hatten uns nach dem Urteil vom 26.06.2006 einige Jahre lang bemüht, die Nürnberger dazu zu bewegen, ihre Bedingungen gemäß dem Urteil zu ändern, um auf das kundenfreundliche Niveau anderer Versicherer zu kommen. Wir schalteten auch einen Versicherungsmaklerverband ein. Das alles gefiel der Nürnberger nicht. Anstatt ihre Bedingungen gemäß dem Urteil entsprechend zu ändern, wollte sie uns offensichtlich für unsere Bemühungen bestrafen und widerrief die Courtagezusage ohne Angabe von Gründen. Da wir der Nürnberger wegen ihres kundenunfreundlichen Verhaltens sowieso kein Neugeschäft mehr zugeführt hatten, können wir damit sehr gut leben. Außerdem versuchte die Nürnberger mit unwahren Behauptungen, über einen Versicherungsmaklerverband Druck auszuüben, nicht mehr über das Urteil zu berichten. Erst jetzt, nach zwölf Jahren, und erst nach dem sich ‚k-mi‘ eingeschaltet hat und darüber in aller Deutlichkeit berichtete, hat die Nürnberger nach Informationen von ‚k-mi‘ in diesem Punkt eingelenkt. Das ändert jedoch nichts daran, dass wir die Nürnberger auch weiterhin nicht mehr empfehlen können. Denn ein Versicherer, der sich so verhält und offensichtlich nur um aus den Schlagzeilen zu kommen, einlenkt, ist für uns keine Empfehlung wert.“
‚vt‘-Fazit: ## Es ist erfreulich, dass die Nürnberger nach unserer Kritik endlich ihre für Versicherungsnehmer und Versicherungsmakler unfreundliche Regelung und Auslegung der AVB aufgegeben hat. Dass es allerdings trotz eines rechtskräftigen Urteils 12 Jahre nach Urteilsspruch offenkundig erst unserer Berichterstattung (vgl. ,vt‘ 36/17) bedurfte, damit die Herren in Nürnberg einlenkten, ist sehr befremdlich ## Wir können nicht ausschließen, dass die Nürnberger sich bei Altverträgen dennoch auf die kritisierte Klausel und unzulässige Auslegung stützt. Unsere Berichte und das Urteil des LG Nürnberg-Fürth gehören daher in jede Vermittlermappe respektive in Ihr digitales Archiv ## Informieren Sie ‚vt‘, wenn Sie oder Ihre Kunden Ärger mit Produktanbietern oder Geschäftspartnern haben und von diesen ungerecht behandelt werden. Wir setzen uns mit den uns zur Verfügung stehenden publizistischen Mitteln für Ihre Interessen ein, um Ihnen zu Ihrem Recht zu verhelfen. Bisweilen gilt dabei: Steter Tropfen höhlt den Stein!
Den Bericht aus ,vt‘ 36/17 zusammen mit dem Urteil des LG Nürnberg-Fürth können Sie sich hier herunterladen.