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Nach ‚vt‘-Kritik: BaFin stellt ‚Do-it-yourself‘-Fehlberatungs-Video auf den Prüfstand

Unter der Kategorie ‚Verbraucherschutz‘ hat die BaFin Erklärvideos zu einem ‚Versicherungscheck‘ mit den drei Episoden ‚Warum lohnt sich ein Versicherungscheck?‘, ‚Wann lohnt sich ein Versicherungscheck?‘ und ‚Versicherungscheck: So geht's!‘ auf ihrer Homepage veröffentlicht (https://tinyurl.com/nxj7vzm2).

Der Schutz des Verbrauchers bleibt dabei aber auf der Strecke. Denn die Aufsichtsbehörde liefert Verbrauchern eine Anleitung zu einer folgenreichen Fehlberatung im ‚Do-it-yourself‘-Verfahren. Auf die mögliche Nutzung von Experten weist die BaFin zudem nicht hin.

Nach kritischer ‚vt‘-Anfrage an den BaFin-Exekutivdirektor Versicherungs- und Pensionsfondsaufsicht, Dr. Frank Grund, sagt die BaFin eine Überprüfung der Inhalte zu und hat das bedenklichste Video vom Netz genommen: Die BaFin hat ihre Abteilung Verbraucherschutz auf neue Füße gestellt. Zum 01.10.2021 wurde sie in zwei Gruppen aufgeteilt und um drei Referate erweitert. Damit besteht sie jetzt aus insgesamt zehn Referaten. Christian Bock, Leiter der Abteilung Verbraucherschutz, ist seit Juli 2021 zudem Beauftragter der BaFin für den Anleger- und Verbraucherschutz.

Das teilt die BaFin in ihrer Pressemitteilung „BaFin macht beim Verbraucherschutz Ernst“ am 13.10.2021 mit und informiert: „Die Belange von Verbraucherinnen und Verbrauchern haben nun im täglichen Aufsichtshandeln der BaFin noch größeres Gewicht“. Zu den Aufgaben der Gruppe 1 (VBS 1) gehört die Verbraucheraufklärung. Die ist bereits mit den oben genannten drei Erklärvideos tätig geworden.

Schauen wir uns einige Inhalte an: Dem Verbraucher wird empfohlen, sich einen Überblick über seine Versicherungen zu verschaffen. Grundsätzlich ist eine Sensibilisierung der Verbraucher auf geänderten Versicherungsbedarf, sich ändernde Angebote und auch mögliche Prämieneinsparungen sinnvoll und begrüßenswert. Doch die BaFin setzt eine hohe Fachkenntnis des Verbrauchers voraus. So soll sich der Verbraucher bspw. die Verträge genau anschauen, welche Schadensfälle abgesichert sind. Daher fragen wir Dr. Grund, ob „die BaFin der Auffassung ist, dass die meisten Verbraucher anhand der Versicherungs-Police und -Bedingungen genau erkennen, welche Schadensfälle abgesichert sind?“.

Weiterhin wird dem Verbraucher geraten, Preise und Leistungen bei verschiedenen Versicherern zu vergleichen, um den für sie geeignetsten Vertrag zu finden. Ist die BaFin wirklich davon überzeugt, dass die meisten Verbraucher alle wichtigen Faktoren bei einer individuellen Bedarfsermittlung kennen, beachten und die Möglichkeit haben, sich selbst einen Marktüberblick zu den zahlreichen Versicherern und den Bedingungswerken bis hin zu Deckungskonzepten diverser Anbieter zu verschaffen? Doch es kommt noch schlimmer.

Bei einem Wechsel zu einem anderen Versicherer rät die BaFin: „Dann kündige deinen laufenden Vertrag und schließe rechtzeitig zum Zeitpunkt des Vertragsablaufs einen neuen ab.“ Lediglich einschränkend weist die BaFin darauf hin, „für einen Wechsel ungeeignet können langlaufende Verträge sein, z. B. Lebens- oder Rentenversicherung“.

Wir fragen den Exekutivdirektor: Hält es die BaFin für sinnvoll, bspw. eine BU oder eine PKV zu kündigen, bevor ein neuer Vertrag abgeschlossen wurde? Übernimmt die BaFin die Haftung, wenn ein Verbraucher dem BaFin-Ratschlag folgend eine BU-Versicherung kündigt, bevor eine neue BU abgeschlossen wurde, aufgrund zwischenzeitlicher Erkrankungen keine neue BU mehr erhält und dann der BU-Fall eintritt, für den die gekündigte BU eine BU-Rente gezahlt hätte? Hat die BaFin eine Vermögensschadenhaftpflichtversicherung? Nach unserer Wertung sind die BaFin-Videos eine Anleitung zu einer folgenreichen ‚Do-it-yourself‘-Fehlberatung. Bei einem Versicherungsmakler ist die Kündigung vor Neueindeckung ein haftungsrelevanter Kardinalfehler und wäre ggf. ein Fall für die VSH. Auf Beratungs- und Vermittlungsexperten wie Versicherungsmakler wird in den Clips aber zu keiner Zeit hingewiesen.

Die BaFin erwähnt Vergleichsportale, die aber ohne qualifizierte individuelle Bedarfsermittlung und Beratung einen Produktabschluss anbieten. Versicherungsmakler dagegen sind gesetzlich dazu verpflichtet, auf Basis eines großen Marktüberblicks für bedarfsgerechten Versicherungsschutz zu sorgen. Dass der Aufsicht solche Spezialisten offensichtlich keinen Hinweis wert sind, muss erstaunen. Daher wollen wir von Dr. Grund wissen, warum die BaFin nicht darauf hinweist, dass sich der Verbraucher an Beratungsexperten wie einen Versicherungsmakler wenden kann. Sieht die BaFin Anlass, die Erklärvideos sachgerecht zu überarbeiten und wenn ja, wird die BaFin diese kurzfristig von der Homepage nehmen?

Auf die ‚vt‘-Anfrage erläutert die BaFin: „Ziel des Erklärvideos ‚So geht’s‘ ist, Verbrauchern eine erste Orientierungshilfe für Versicherungschecks zu geben. Es liegt auf der Hand, dass sich Verbraucher darüber hinaus externen Rat bei Versicherungsvermittlern, Versicherungsberatern oder Verbraucherzentralen einholen können, um etwaige offene Fragen zu klären. Wir möchten außerdem klarstellen, dass mit dem Video nicht zum Ausdruck gebracht werden sollte, Versicherungen vor Abschluss eines neuen Versicherungsvertrags zu kündigen.“ Daraus zieht die Aufsicht auch eine erste Konsequenz: „Um dennoch möglichen Missverständnissen vorzubeugen, werden wir das Video vorsorglich noch einmal überprüfen.“ Das hat die BaFin umgehend angeschoben und Teil 3 der Erklärvideo-Triologie (‚Versicherungscheck: So geht's!‘) vom Netz genommen.

‚vt‘-Fazit: Es ist grundsätzlich begrüßenswert, dass die BaFin Verbraucher zum notwendigen Versicherungsschutz und dessen regelmäßige Überprüfung und Bedarfsanpassung sensibilisiert. Wenn die BaFin aber ausschließlich auf Vergleichsportale hinweist, ohne Verbraucher über die Möglichkeit einer individuellen Beratung bei Versicherungsberatern oder Versicherungsmaklern zu informieren, dann ist das kein Verbraucherschutz und ein Eingriff in den Wettbewerb, der der BaFin u. E. nicht zusteht. Die Botschaft, ‚erst kündigen, dann Neuabschluss‘, ist sicher nicht von der BaFin beabsichtigt. Daher ist es gut, dass die Aufsichtsbehörde nach unserem Hinweis eine Überprüfung zusagt und das problematische Video ‚So geht's!‘ zeitnah vom Netz genommen hat. Somit ist nun eine fach- und sachkundige Überarbeitung möglich.

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