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Obwohl nur 87 (!) Mitglieder dafür sind: BDVM fordert gesetzlichen Provisionsdeckel

Der Bundesverband Deutscher Versicherungsmakler e. V. (BDVM) überrascht, schockiert und verärgert aktuell viele Branchenteilnehmer. Denn dieser „setzt sich für einen Provisionsdeckel bei Versicherungsanlageprodukten zugunsten einer höheren laufenden Vergütung ein“, verkündet der Maklerverband in einer Pressemitteilung am 05.06.2024. Gerade atmen die Versicherungsbranche und insbesondere Versicherungsmakler auf, nachdem die Angriffe der EU-Kommission hinsichtlich per RIS geplantem Provisionsverbot bei Versicherungsanlageprodukten speziell für Versicherungsmakler abgewendet scheinen, da fordert der BDVM die Einführung eines gesetzlichen „Provisionsdeckels der Abschlussvergütung in Höhe von 25 Promille bei Versicherungsanlageprodukten“, zugleich „soll eine höhere laufende Vergütung eingeführt werden“. Das wird so begründet:

„Die teils fehlanreizenden Vergütungsformen führen zu einer ideologischen Debatte um ein Provisionsverbot. Dabei ist die Branche selbst schuld“, sagt BDVM-Präsident Thomas Billerbeck. „Nur eine Kehrtwende in dieser Frage ermöglicht es, dass man das Heft des Handelns erneut in die Hand bekommt. Auch angesichts der europäischen Diskussion im Rahmen der EU-Kleinanlegerstrategie und der BaFin-Kritik sei es notwendig, dass die Vermittlerverbände eine proaktiv gestaltende Rolle einnehmen“, so der BDVM. Ob man bei dem von der BaFin kritisierten Fehlverhalten von einigen Versicherern schließen sollte, wie Billerbeck es tut, dass die gesamte „Branche selbst schuld“ ist? Der BDVM werde nun „aktiv auf die anderen Vermittlerverbände zugehen und für eine gemeinsame Positionierung werben“, wird in der Presseinfo angekündigt. Erstaunlich, dass man nicht im Vorfeld den Schulterschluss suchte. Oder dabei einen Irrweg hätte erkennen können, denn der zeichnet sich durchaus erwartungsgemäß ab.

Denn noch vor fünf Jahren hatten renommierte Berufsverbände der unabhängigen Vermittler, der Bundesverband Finanzdienstleistung AfW e.V. und VOTUM sowie die Bundesarbeitsgemeinschaft zur Förderung der Versicherungsmakler (BFV), sich nicht nur in ihren Stellungnahmen sachlich und mit guten Gründen gegen den im Entwurf eines Gesetzes zur Deckelung der Abschlussprovision von Lebensversicherungen und von Restschuldversicherungen des Bundesministeriums der Finanzen (vom 18. April 2019) geplanten Provisionsdeckel ausgesprochen, sondern zudem den Provisionsdeckel auf den europa- und verfassungsrechtlichen Prüfstand stellen lassen. Die Ergebnisse des Rechtsgutachtens über die „Europarechtliche Zulässigkeit eines Provisionsdeckels in der Deutschen Lebensversicherung“ von Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski sowie des von Prof. Dr. Hans-Jürgen Papier vorgelegten „Rechtsgutachten zur Verfassungsmäßigkeit eines gesetzlichen Provisionsdeckels für die Vermittlung von Lebensversicherungen“: Ein LV-Provisionsdeckel ist europarechts- und verfassungswidrig!

Im Gespräch mit der ‚vt‘-Redaktion bekräftigen Norman Wirth, Geschäftsführender Vorstand AfW, und Martin Klein, Geschäftsführender Vorstand VOTUM, die unveränderten damaligen Positionen und deren Unverrückbarkeit. „Der AfW lehnt einen Provisionsdeckel ab. Ein Provisionsdeckel ist:  ++ verfassungswidrig, da Eingriff in die Gewerbefreiheit ++ verbraucherschädlich, da der unabhängige, treuhänderische Sachwalter des Kunden – der Makler – hier der Leidtragende wäre  ++ wettbewerbswidrig, da nicht die unterschiedliche Kostenstruktur der verschiedenen Vertriebswege berücksichtigt wird  ++ europarechtswidrig, da er gegen das Prinzip des freien Binnenmarkts verstößt  ++ branchenschädigend, da er in erster Linie junge Versicherungsmakler trifft, die noch keinen Bestand haben und somit eine Markteintrittsbarriere geschaffen wird. Diese Positionen hatten wir damals auch gemeinsam mit BFV und VOTUM durch Gutachten von Prof. Schwintowski und Ex-Verfassungspräsident Papier untermauert. Es gibt keine neuen Entwicklungen, die im Interesse der Maklerschaft ein Abweichen von unseren damaligen Argumenten rechtfertigen würden“, spannt Wirth den Bogen von April 2019 bis Juni 2024. Und Klein bekräftigt:  „Der VOTUM Verband lehnt die Einführung eines gesetzlichen Provisionsdeckels unverändert ab. An unserer Position, die wir u.a. auch im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens vor fünf Jahren detailliert dargestellt haben, hat sich nichts verändert.“

Auch mit der Interessengemeinschaft Deutscher Versicherungsmakler e.V. (IGVM) gab es keine vorherigen Gespräche. „Anstatt pauschale Vergütungskürzungen zu fordern, sollten wir uns auf intelligente Reformen konzentrieren. Diese Reformen sollten Transparenz und Fairness für Verbraucher und Makler gleichermaßen fördern. Die Politik muss Rahmenbedingungen schaffen, die einen fairen Marktzugang und umfassende Marktübersicht gewährleisten.“  Ebenso lehnt die BFV einen gesetzlichen Provisionsdeckel weiterhin ab: „Der Markt bietet bereits zahlreiche flexible Vergütungsmodelle. Vermittler können vertragsbezogen wählen, bspw. halbe AP – doppelte BP, nur BP oder Netto. Diese und weiter alternative Modelle sind bereits auf dem Markt verfügbar. Gemeinsam mit mehreren Berufsverbänden haben wir uns aktuell argumentativ auf EU-Ebene eingesetzt, dass kein Provisionsverbot für Versicherungsmakler kommt, und vor fünf Jahren haben wir mit sachlichen Argumenten den Provisionsdeckel in Deutschland abgewendet. Diese Argumente haben nach wie vor Gültigkeit. Es existieren keine flächendeckenden eklatanten Missstände, daher lehnen wir weiterhin ordnungspolitisch bedenkliche Eingriffe des Staates ab.“

Der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) teile „zwar die Sorge des BDVM, dass die Branche insgesamt noch zu wenig gegen einzelne Vergütungsausreißer vorgeht und daher auch vor dem Hintergrund der RIS auf Bewährung ist. Die BaFin hat jedoch im Rahmen der Wohlverhaltensaufsicht bei kapitalbildenden Lebensversicherungsprodukten bereits ein adäquates Mittel, um Fehlanreizen im Vertrieb entgegenzuwirken“, findet die Provisionsdeckel-Forderung auch bei BVK-Präsident Michael H. Heinz keine Unterstützung. Der BVK plädiere „daher dafür, die wenigen Ausreißer zu sanktionieren und nicht alle Versicherungsvermittler gleichermaßen. Daher sehen wir eine gesetzliche Deckelung von Abschlussprovisionen von Lebensversicherungen auf 25 Promille der Bruttobeitragssumme ordnungspolitisch weiterhin kritisch. Ein solch gravierender Eingriff ist zudem weder geeignet, noch sinnvoll und nachhaltig, die Vermittlung privater Altersvorsorge zu fördern.“

Auch mit dem BVK gab es offensichtlich vorab keine Gespräche, denn der werde sich, so Heinz, nun „kurzfristig mit dem BDVM zu Gesprächen zum Thema treffen“. Wurden überhaupt im Vorfeld Vermittlerverbände für die in der PM angekündigte Positionierung angesprochen, wenn ja, welche Vermittlerverbände und mit welchem Ergebnis? Unsere Anfrage beantwortet der BDVM kryptisch: „Wir hatten vorab einzelnen informellen Austausch zu der Frage, der sich jedoch nicht für eine Veröffentlichung eignet.“ Wenn es mit den zuvor genannten Akteuren vorab keine Gespräche für eine gemeinsame Positionierung gab, so darf nun gerätselt werden, mit wem es denn diesen informellen Austausch gegeben haben mag.

Doch es wird noch brisanter: „Der BDVM hat bei dieser Forderung die Mehrheit seiner im Lebensversicherungsbereich tätigen Versicherungsmakler hinter sich. Bei einer Mitgliederumfrage zur Vergütung im Lebensversicherungsbereich haben sich 54,4% der 160 Umfrageteilnehmer für eine Begrenzung der Abschlussvergütung auf 25 Promille und einer gleichzeitigen höheren laufenden Vergütung ausgesprochen.“ Das sind gerade einmal 87 (!) Versicherungsmakler. Von den laut Vermittlerregister-Statistik der DIHK zum 01.04.2024 registrierten 46.522 Versicherungsmakler kann der BDVM also auf die Meinung von knapp 0,19 % der Versicherungsmakler verweisen. Und unter den 160 BDVM-Umfrage-Teilnehmern haben sich mit 73 fast die Hälfte NICHT für einen Provisionsdeckel ausgesprochen. Wie man auf Basis einer dünnen und offensichtlich auch alles andere als BDVM-­einheitlichen Meinung eine so brisante Forderung erhebt, bleibt vorerst Billerbecks Geheimnis. Immerhin stellt er sich damit offenbar gegen rund 46 % seiner LV-starken Mitglieder, die keinen Provisionsdeckel fordern. Dabei ist das Vergütungsmodell einer niedrigeren AP und dafür mehr BP nicht neu. Es ist auch ein sinnvolles Vergütungssystem, um dem höheren Aufwand bei der Beratung angemessen Rechnung zu tragen und zugleich bei Bestandsverbleib über die Laufzeit regelmäßige Betreuungseinnahmen zu generieren.

'vt'-Fazit:  ++ Provisionsauswüchse schaden der Branche. Diese zu bekämpfen, da dürfte der BDVM insbesondere in Versicherungsmaklerkreisen ungeteilte Zustimmung erhalten. Nicht aber bei der Provisionsdeckel-Forderung. Vielmehr sollte die BaFin bei einzelnen Versicherern mit exzessiven Provisionen im Rahmen der Missstandsaufsicht nach § 48a VAG und Artikel 8 der Delegierten Verordnung zu Wohlverhaltensregeln eingreifen  ++ Eine kluge Strategie ist nicht zu erkennen, wenn man einen Schulterschluss erreichen will, aber mit einer brisanten Forderung an die Öffentlichkeit tritt, ohne vorher mit anderen Vermittlerverbänden intensiv zu sprechen. Den Reaktionen wird man wohl eher entnehmen dürfen, dass der BDVM anderen Berufsverbänden in den Rücken gefallen ist und es zu keiner gemeinsamen Positionierung kommen wird  ++ Diese Forderung eines gesetzlichen Provisionsdeckels ist Wasser auf den Mühlen der sogenannten Verbraucherschützer und ideologischen Politiker. Dass dieser Forderung gerade einmal die Meinung von 87 Versicherungsmaklern zugrunde liegt, sollte deshalb betont werden und auch dem BDVM zu denken geben.

(Ergänzt am 11.06.2024)

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