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Öffentliche Versicherung Oldenburg: Keine Auskunft bei eingeschränkter Vollmacht

Keine Auskunft vom Versicherer trotz vorgelegter Vollmacht zu erhalten, ist ein großes Ärgernis für Versicherungsmakler und Versicherungsnehmer. Insbesondere über das von einigen Versicherern seit einiger Zeit erfundene Verfallsdatum von Vollmachten berichteten wir und kritisieren das Verhalten dieser Versicherer seit rund zwei Jahren.

Wenn die Zurich Versicherungen einem Makler antworten „Gemäß interner Arbeitsanweisung sind Mandate, welche älter als 24 Monate sind, zurückzuweisen. Bitte reichen Sie uns eine Willenserklärung jüngeren Datums ein“ (vgl. ‚vt‘ 09/20; tinyurl.com/yxkvdqcu), dann entbehrt diese Blockade der Maklerarbeit für den Kunden jeglicher Rechtsgrundlage.

Denn Fakten sind: ++ Eine unbefristete Vollmacht bleibt gültig, bis sie vom Vollmachtgeber widerrufen oder vom Vollmachtnehmer zurückgegeben wurde. Die Rechtsgrundlage ergibt sich aus §§ 167 ff. BGB  ++ Der Versicherer legt dem Versicherungsmakler Steine in den Weg und riskiert darüber hinaus Nachteile für den Kunden, was nicht in Einklang mit § 1a VVG steht. Bei einem aktuellen Problem des Versicherungsmaklers Thomas Lütkenhues/Osnabrück mit der Öffentliche Versicherungen Oldenburg (ÖVO) wird zwar ebenfalls eine Maklervollmacht zurückgewiesen, doch der Fall liegt anders:

Der Versicherungsmakler legte der Öffentlichen Oldenburg per E-Mail eine auf September 2020 datierende Maklervollmacht vor und erbat zu einem Kfz-Vertrag eines Mandanten Auskünfte (Abschrift Antrag, Versicherungsschein, letzte Beitragsrechnung und Schadensaufstellung). Doch die ÖVO will an den Makler keine Auskünfte erteilen. Die vorgelegte Maklervollmacht sei auf die „beauftragten Versicherungsangelegenheiten“ beschränkt.

Der genannte Vertrag werde davon nicht erfasst, jedenfalls liege der ÖVO ein solcher Nachweis nicht vor. Der Makler solle dem Versicherer einen Nachweis zukommen lassen, dass er für den konkreten Versicherungsvertrag beauftragt ist. Der Makler beschwert sich erfolglos bei der ÖVO, der Fall landet auf dem ‚vt‘-Redaktionstisch. Wir schauen genauer in die Vollmacht:

Diese umfasst „die uneingeschränkte aktive und passive Vertretung des Kunden gegenüber Versicherern …, einschließlich der Abgabe oder Entgegennahme aller die Versicherungsverträge betreffenden Willenserklärungen nach § 7 VVG“ sowie „die Kündigung bestehender und den Abschluss neuer Versicherungsverträge“ und „die Geltendmachung der Versicherungsleistung aus den von dem Makler vermittelten oder in die Verwaltung übernommenen Versicherungsverhältnisse sowie die sonstige Mitwirkung bei der Schadenregulierung“.

Insoweit passt alles, jedoch findet sich in der Vollmacht auch der Passus, auf den sich die ÖVO bezieht: Der Makler wird „zur Vertretung in den beauftragten Versicherungsangelegenheiten“ bevollmächtigt. Eine beschränkte Vollmacht kann tatsächlich ein Problem sein. Warum das so ist, erläutert Rechtsanwältin und Fachanwältin für Versicherungsrecht Kathrin Pagel, Partnerin der Kanzlei Michaelis Rechtsanwälte:

„Damit bedarf es bei der Erteilung des Auftrages einer Angabe des Versicherungsnehmers dazu, welche konkreten Versicherungsangelegenheiten das sind. Der Auftrag muss zwar grundsätzlich nicht ausdrücklich als ‚Auftrag‘ formuliert sein und kann auch formlos erfolgen, es muss aber erkennbar sein, dass sich die Beauftragung auf genau diese ‚Versicherungsangelegenheit‘ bezieht. Aufgrund einer einschränkenden Vollmacht muss der Versicherer auch gerade davon ausgehen, dass die Vollmacht nur beschränkt auf einen konkreten Auftrag erteilt wurde.

Ist der Umfang der Vollmacht allein aus dem Wortlaut nicht eindeutig bestimmbar, sind zusätzlich die weiteren Umstände zur Ermittlung des Inhaltes heranzuziehen. Neben dem subjektiven Willen des Vertretenen unter Berücksichtigung des objektiven Empfängerhorizonts zählt dazu auch die Verkehrssitte und damit auch die Berufsgruppe des Vertreters, vorliegend also des Versicherungsmaklers. Die Bevollmächtigung wird sich somit wohl konkludent aus dem Begehren des Versicherungsnehmers ergeben, z. B. die Überprüfung des bestehenden Versicherungsschutzes. Soweit die notwendigen Vertragsdaten nur von dem Kunden stammen können, dürfte an der Beauftragung wohl kaum ein Zweifel bestehen.“

Doch was sind notwendige Vertragsdaten, die nur vom Kunden stammen können? Scheinbar findet der Kunde die Vertragsunterlagen nicht, dem Makler hat er das Kennzeichen seines PKW und den Versicherer genannt. Immerhin etwas. Der Versicherungsmakler vertritt die Auffassung, da sein Mandant ihm Kennzeichen und Versicherer genannt hat, sei er entsprechend beauftragt. Der ÖVO reicht das aber nicht, was rechtlich zulässig ist.

Rechtsexpertin Pagel erläutert: „Einen Ausnahmefall würde man eher nicht annehmen, da die Beauftragung auch aus den weiteren Umständen nicht klar erkennbar ist. Ein Kennzeichen kann jeder ermitteln und auch der Versicherer kann sonst bekannt geworden sein.“ Dennoch müsste der Makler dem Versicherer eine Beauftragung des Kunden für den diesen PKW betreffenden Versicherungsvertrag vorlegen.

Wir empfehlen seit jeher eine Trennung von Maklerauftrag und Vollmacht. In Ersterem kann eine Beschränkung erfolgen, während die Vollmacht, die den Versicherern vorgelegt wird, dann eben nicht beschränkt ist. Wie RAin Pagel das sieht und welche Tipps sie hat, lesen Sie auf Seite 3 dieser Ausgabe.

Bleiben wir bei der Öffentlichen Oldenburg, denn selbstverständlich hatten wir auch deren Vorstandsvorsitzenden Jürgen Müllender den Fall auf den Tisch gelegt und um Stellungnahme gebeten. Das fördert eine erstaunliche und hoch problematische Antwort zu Tage. Zunächst erklärt die ÖVO, dass sie sich aus Datenschutzgründen zu dem konkreten Fall nicht äußern kann und sich daher die Ausführungen auf die allgemeine Sichtweise der Öffentlichen Oldenburg beziehen:

„Mit der vorgelegten, eingeschränkten Vollmacht können wir keine Datenfreigabe bzw. -weitergabe verantworten. Ein vielbeachtetes und wegweisendes Grundsatzurteil des BGH (Az: IV ZR 165/12) sieht vor, dass dem Vertreter des Kunden der Schriftverkehr sowie Auskünfte nur bei umfassender Vollmacht zugestanden wird. Jede weitere Prüfung der Vollmacht im Hinblick auf ihre Reichweite ist für einen Versicherer – gerade im Rahmen des Massengeschäfts – unzumutbar.

In unseren technischen Systemen ist eine Bevollmächtigung auf einen Einzelvertrag nicht vorgesehen, sondern nur für die gesamte Kundenverbindung. Dies geben die uns vorgelegten Vollmachten dann nicht her, wenn sie nur für die ‚beauftragten Versicherungsangelegenheiten‘ gelten sollen. Es handelt sich dabei um den dokumentierten, jedoch ungenau formulierten Kundenwunsch. Bei jeglichen Anfragen dieser Art sind wir also gehalten, mehrmals die Reichweite der erteilten Vollmacht zu prüfen. Dies ist für alle Beteiligten zeitraubend und verursacht einen erheblichen Mehraufwand.“

In der Tat ist das Korrespondenzpflichturteil wegweisend. Damals hatte der BGH den hartnäckigen Korrespondenzpflicht-Verweigerer LVM Versicherung/Münster verurteilt (vgl. ‚vt‘ 25/13 „Korrespondenzpflicht: BGH verurteilt LVM zu Verbraucherschutz“). Dass der Kunde einen Nachteil erleiden darf, wenn die IT eines Versicherers den Erfordernissen nicht genügt, ist dem höchstrichterlichen Urteil aber nicht zu entnehmen.

„Selbstverständlich kann ein Kunde seinen Makler nur mit der Betreuung eines einzelnen Vertrages betrauen. Ebenso selbstverständlich muss der Versicherer dies akzeptieren und die Korrespondenz zu diesem einen Vertrag mit dem Makler führen, unabhängig davon, ob zu der ‚Kundenverbindung‘ noch weitere Verträge bestehen. Ich kann mir derzeit auch kein technisches Problem vorstellen, das daran hindern soll, diese Zuordnung umzusetzen.

Der Versicherer kann sich meines Erachtens schon nicht darauf berufen, es sei für ihn technisch nicht möglich, die Informationen zu einem bestimmten Vertrag zu extrahieren. Es wäre zudem sicherlich auch zumutbar, gegebenenfalls die gewünschten Informationen zu einem Vertrag händisch zusammenzustellen. Zumutbar dürfte auch sein, die Vollmacht im Zusammenhang mit der jeweiligen Beauftragung des Kunden im Einzelfall zu lesen, sofern diese vorgelegt werden.

Als zu ungenau würde ich dabei die Formulierung ‚beauftragten Versicherungsangelegenheiten‘ bei Verbindung mit dem Auftrag (schriftlich oder in Textform) nicht ansehen“, erläutert Rechtsanwältin Pagel.

‚vt‘-Fazit: ++ Bei der konkreten Maklervollmacht ist es empfehlenswert, die Beschränkung zukünftig aus der Vollmacht rauszunehmen und diese im Maklerauftrag zu regeln.

++ Im vorliegenden Fall ist zu empfehlen, der ÖVO ein vom Kunden unterschriebenes Dokument vorzulegen, wonach dieser den Makler für die Betreuung des Kfz-Vertrages beauftragt. Dem Versicherer steht nicht das Recht zu, die Vollmacht ergänzt um die konkrete Beauftragung zu ignorieren. IT-Probleme muss die Öffentliche Oldenburg lösen, das darf nicht auf dem Rücken des Kunden und des Maklers passieren.

++ Die ÖVO sollte ihre Argumentation mit dem BGH-Urteil und offenbar nicht zeitgemäßer IT schleunigst auf den Prüfstand stellen und kassieren. Denn so wirkt es wie eine bewusste Blockade der Maklertätigkeit, was nicht im Interesse des VN ist und zu dessen Nachteil führen kann. Das wäre u. E. ein Verstoß gegen § 1a VVG.

Denn Versicherer müssen bei der Vertriebstätigkeit gegenüber VN „stets ehrlich, redlich und professionell in deren bestmöglichem Interesse handeln“ – und zur Vertriebstätigkeit gehört auch das „Mitwirken bei Verwaltung und Erfüllung von Versicherungsverträgen“.

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