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Trotz § 6 Abs. 6 VVG: Nürnberger sieht bei Maklerkunden „Beratungspflicht“

Die Katze lässt das Mausen nicht. Dieses Sprichwort scheint auf die Nürnberger Versicherung zuzutreffen, wenn es um das Abgraben von Versicherungsmakler-Kunden und die Vergütung der Makler geht. Die Nürnberger steht mit dem Maklerrecht offenbar weiterhin auf Kriegsfuß. Die Katze lässt das Mausen nicht – erinnern wir uns, wie die Nürnberger in der Vergangenheit ‚gemaust‘ hat:

„Üble Direktabschluss-Masche am Ursprungsvermittler vorbei!“, titelten wir den Bericht über das Ergebnis unserer damaligen Recherche (vgl. ‚vt‘ 16/17) und monierten, dass die Nürnberger Versicherung „bei auslaufenden LV-Policen mit sogenannten Wiederanlagespezialisten (WAS) die Kunden direkt“ anspricht.

Diese unfaire Praxis mit Umgehung der Ursprungsvermittler, Vertreter wie Versicherungsmakler, deckten wir bereits im Dezember 2016 auf (vgl. ‚vt‘ 49/16). So stellten die ‚klugen‘ – aus unserer Sicht hinterhältigen – Nürnberger ‚Wiederanlagespezialisten‘ fest, dass die übliche LV-Ablaufinfo an den Kunden für die Interessen der Franken schädlich ist.

Die Ablaufinfo sollte, quasi folgerichtig, gemäß des WAS-Vertriebskonzeptes „ausgesteuert“ werden: Das Kundenschreiben wird nicht an den Kunden versandt, sondern landet direkt beim WAS, wie die Kollegen unserer Schwesterredaktion ‚kapital-markt intern‘ recherchieren konnten, denn  ++ durch ein Ablaufschreiben wird der Kunde im Regelfall zur Auszahlung getrieben und  ++ bei frühzeitigem Versand der Ablaufschreiben hat der Kunde monatelang Zeit, „Konkurrenzangebote“ einzuholen.

Indes gab die Nürnberger auch in anderen Bereichen Anlass zu Berichten über die von ‚k-mi’ und ‚vt’ aufgedeckten Skandale, die Versicherungsnehmer und Versicherungsmakler betreffen, u. a.: ++ „Nürnberger und Maklerrecht – Zwei unvereinbare Sachverhalte?“ (vgl. Spezial Recht ‚vt’ 09/11)  ++ Die „Nürnberger macht sich für Makler uninteressant“ (vgl. ‚vt’ 13/15)  ++ Mangelhafte „Kundenorientierung und Kodexerfüllung der Nürnberger“ (vgl. ‚vt’ 20/15)  ++ „Nürnberger: Versicherungsmaklerkompetenz adé – Neugeschäft unerwünscht“ (vgl. ‚vt’ 21/16) ++ „Nürnberger ‚arbeitet’ emsig daran, sich aus dem Maklermarkt zu verabschieden“ (vgl. ‚vt’ 24/16) und ++ „Missmanagement bei der Nürnberger Pensionsfonds AG“ (vgl. ‚vt’ 32 und 33/16). Nun geht es erneut um Ihre Kunden und Ihr Geld:

„Nachdem die Nürnberger in der Vergangenheit bei mindestens zwei meiner Mandanten eine Wiederanlage der abgelaufenen Verträge platziert hat (ohne eine Courtage an mich zu zahlen), schreiben die schon wieder einen Mandanten von mir an, um möglicherweise erneut hinter meinem Rücken eine Wiederanlage zu erreichen. Als kleiner Makler kann man da leider nichts machen, ich kann dieses Vorgehen jedoch publik machen, was ich hiermit tun möchte“, schreibt uns ein bayerischer Versicherungsmakler und fügt Unterlagen bei. Den Vorgang haben wir uns für Sie angeschaut:

Ein Mandant des Versicherungsmaklers erhielt ein Ablaufschreiben zu dessen Kapital-Lebensversicherung. In dem heißt es: „Denken Sie aber bitte daran, dass mit Ablauf des Vertrags auch der Versicherungsschutz für Sie und Ihre Angehörigen erlischt. Gerne beraten und unterstützen wir Sie bei Ihrer Entscheidung, wie Sie Ihr Geld künftig verwenden wollen.

Unser kostenloser und unverbindlicher Service mit einer Analyse ihrer Versorgungssituation hat sich schon für viele Kunden ausgezahlt. Eine wertvolle Planungshilfe für Ihre finanzielle Zukunft. Nutzen Sie unsere Kompetenz. Es lohnt sich für Sie.“ (Fettungen durch die ,vt‘-Redaktion). Zur Erinnerung: Hier wurde nicht der Kunde eines Nürnberger-Vertreters, sondern der Kunde eines Versicherungsmaklers angeschrieben. Letzterer ist zwar als „Ihre Betreuungsstelle“, die eine „Kopie“ des Schreibens erhält, aufgeführt – ebenfalls aufgeführt werden die Kontaktdaten zu „Ihr Kundenservice in Nürnberg“ –, doch in den Lobpreisungen der Leistungen spielt in diesen sechs Sätzen ausschließlich die Nürnberger eine Rolle.

Der Versicherungsmakler wird nur ein einziges Mal erwähnt: „Ein Anruf bei Ihrem Vermittler oder bei uns genügt.“ Auf Nachfrage unserer Kollegen beim Nürnberger-Boss Dr. Armin Zitzmann wiegeln die Franken beschwichtigend ab: „Für die Nürnberger ist eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Vermittlern von großer Bedeutung. Nach wie vor gilt daher, dass wir die Kunden von Maklern vor Ablauf ihrer LV-Verträge seit Jahren nicht mehr direkt anschreiben, wenn dies so mit dem Vertriebspartner vereinbart ist.“ Die Kunden nicht direkt anzuschreiben, ist eigentlich eine Grundregel, wenn der Kunde dem Versicherungsmakler eine Vollmacht mit Postempfangsvollmacht erteilt hat und diese der Nürnberger vorgelegt wurde.

Das ist auch die richtige und sinnvolle Vorgehensweise, denn dann kann der Versicherungsmakler seinen Mandanten informieren und hat die Chance, gleich auf geeignete Wiederanlagen hinzuweisen oder zumindest ein Beratungsgespräch zur Ausarbeitung eines individuell passenden Anlagevorschlags anzubieten. Die Nürnberger erläutert uns des Weiteren: „Der von Ihnen zitierte Textbaustein stammt aus der Abrechnungsbescheinigung, die alle Kunden (unabhängig vom Betreuer) zum Auszahlungszeitpunkt und damit dem Ende ihres Vertrages bekommen. Der Makler erhält dieses Schreiben in Kopie, ist also darüber informiert und kann seinerseits tätig werden, beispielsweise den Kunden aktiv ansprechen.“

Doch erhält der Versicherungsmakler die Kopie zeitgleich oder sogar erst nach dem VN, dann bleibt für den Vorschlag einer geeigneten Wiederanlage wenig Zeit – und wenn der Versicherungsmakler ‚aufschlägt‘, ist es womöglich schon zu spät und eine mögliche Vergütung ist futsch.

Damit nicht genug, offenbaren die Franken mit den weiteren Antworten ihr völlig falsches Bild vom Versicherungsmakler, der dort offensichtlich immer noch in die Vertreter-Schiene gesteckt wird: „Wir kommen mit der Information aufsichtsrechtlichen Bestimmungen und vor allem vorsorglich unserer Beratungspflicht nach. Außerdem enthält der Textbaustein auch den Hinweis, dass sich der Kunde mit seinem Vermittler oder uns in Verbindung setzen soll. Gemeinsames Ziel von Versicherung und Maklern sollte sein, den Kunden auch nach Ablauf seines Vertrages zu halten.“

Natürlich muss die Nürnberger die aufsichtsrechtlichen Bestimmungen zur Ablauf-Information des VN beachten, aber ebenso eine ggf. vorhandene Postempfangsvollmacht. Was uns an der Nürnberger Kenntnis zur einschlägigen Rechtslage und deren Auffassung zum Status des Versicherungsmaklers fassungslos macht, sind zwei Aussagen: Die Nürnberger glaubt „vorsorglich“ ihrer „Beratungspflicht“ nachkommen zu müssen. Doch ein Blick der Nürnberger ins Gesetz hätte die Rechtsfindung erleichtert.

Diesen Blick liefern wir dem fränkischen Versicherer hiermit: § 6 Abs. 1 VVG statuiert zwar Beratungspflichten des Versicherers, die nach Abs. 4 „auch nach Vertragsschluss während der Dauer des Versicherungsverhältnisses“ bestehen. Jedoch regelt Abs. 1 klipp und klar, dass „die Absätze 1 bis 5 (…) auf Versicherungsverträge (…) nicht anzuwenden“ sind, „wenn der Vertrag mit dem Versicherungsnehmer von einem Versicherungsmakler vermittelt wird“.

Wenn die Nürnberger dann bei einem Maklerkunden eine ‚vorsorgliche Beratungspflicht‘ ins Feld führt, dann missachtet sie u. E. – grob fahrlässig oder sogar vorsätzlich – die für Versicherungsmakler geltenden Gesetze. Das belegt auch die unglaubliche Nürnberger-Definition eines gemeinsamen Ziels: „Gemeinsames Ziel von Versicherung und Maklern sollte sein, den Kunden auch nach Ablauf seines Vertrages zu halten.“ Für ihre Vertreter darf die Nürnberger ein solches Ziel ausgeben. Versicherungsmakler würden aber gegen den Sachwalterstatus und ihre gesetzlichen Beratungspflichten verstoßen, wenn sie sich auf ein solches Ziel mit dem Versicherer verständigen.

Falls Dr. Zitzmann und seinen Mitarbeitern das VVG nicht geläufig ist: ++ „Versicherungsmakler im Sinn dieses Gesetzes ist, wer gewerbsmäßig für den Auftraggeber die Vermittlung oder den Abschluss von Versicherungsverträgen übernimmt, ohne von einem Versicherer oder von einem Versicherungsvertreter damit betraut zu sein.“ (§ 59 Abs. 3 VVG)  ++ „Der Versicherungsmakler ist verpflichtet, seinem Rat eine hinreichende Zahl von auf dem Markt angebotenen Versicherungsverträgen und von Versicherern zu Grunde zu legen, so dass er nach fachlichen Kriterien eine Empfehlung dahin abgeben kann, welcher Versicherungsvertrag geeignet ist, die Bedürfnisse des Versicherungsnehmers zu erfüllen.“ (§ 60 Abs. 1 VVG).

Wir übersetzen das gerne für Zitzmann und Co.: Der Versicherungsmakler ist Beauftragter und Einkäufer des Kunden, in dessen Lager er zu stehen hat. Bei der Beratung zu individuell passenden Produkten haben „gemeinsame Ziele“ mit und zu Gunsten der Nürnberger keinen Platz!

‚vt‘-Fazit: Wenn die Nürnberger so wenig von den gesetzlichen Pflichten des Versicherungsmaklers versteht, dann ist es kein Wunder, wenn sie im Umgang mit Versicherungsmaklern und deren Kunden immer wieder ein Fehlverhalten an den Tag legt. Daher sollten Sie beachten, dass Sie auf Mandanten, denen Sie ein Produkt der Nürnberger vermitteln, ein besonderes Auge werfen müssen.

Vorsicht ist besser als Nachsicht – bevor Ihnen der Kunde und mit ihm eine mögliche Vergütung flöten gehen. Wenn Sie aktuell Probleme mit der Nürnberger oder anderen Versicherern haben, können Sie gerne die ‚vt‘-Redaktion einschalten.

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