Bekanntlich wertet ‚vt‘ regelmäßig die Statistiken der britischen Finanzaufsicht FCA aus, um mehr Objektivität in die Debatte um ein Provisionsverbot zu bringen (vgl. zuletzt ‚vt‘ 28/23 und ‚vt‘ 29/22). Glaubt man sogenannten Verbraucherschützern, ist das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland das Land, in dem durch das Provisionsverbot angeblich die Interessenkonflikte abgeschafft wurden und Verbraucher nun profitieren.
Die ganz frischen Daten von letzter Woche zum ‚The retail intermediary market 2022‘ zeigen aber zum wiederholten Mal das Gegenteil: Wie in den Vorjahren ergibt die Auswertung der Beratereinnahmen durch die britische Aufsicht FCA, dass der Anteil der laufenden Fees (‚ongoing‘) einen neuen Spitzenwert erklimmt, nämlich inzwischen 77 % (2019: 70 %; 2020: 74 %; 2021: 75 %). Das heißt: Die Haupteinnahmequelle von Beratern in UK sind damit nicht Einmalzahlungen, wie z. B. klassische Honorare, sondern fast nur noch laufende Servicegebühren, also ‚Honorarberatung light‘ (vgl. ‚vt‘ 35/22, 38/21 und 34/20)!
Ist daran etwas schlecht? Nein! Es widerlegt aber die holzschnittartigen bis polemischen Behauptungen von sogenannten Verbraucherschützern und z. B. der S&D-Fraktion im EU-Parlament (vgl. ‚vt‘ 25/23: „EP-Sozialisten & Demokraten wandeln mit diffamierendem Video auf Finanzhai-Spuren“), dass man mit einem Provisionsverbot angebliche Interessenkonflikte bei abschlussabhängigen Vergütungen mit einem Federstrich einfach beseitigen könnte.
Denn nicht nur der Anteil der fortlaufenden Vergütungen an den Berater-Einnahmen ist auf einem Spitzenwert, sondern auch der Anteil der Firmen, die vorwiegend nach Anlagevolumen abrechnen. Mittlerweile rechnen über 61 % der Beraterfirmen bei laufenden Fees prozentual zwischen 0,5 und 1 % bezogen auf das Anlagevolumen ab, 10 % haben ein Kombimodell und 15 % haben pauschale Sätze. Der Anteil der Beraterfirmen, die nach Stundensätzen abrechnen – also die klassische Honorarberatung –, ist auf 13,4 % gefallen.
Dies zeigt erneut, wie fach- und praxisfremd die rücksichtslose Rufschädigung der Sozialisten im EU-Parlament gegenüber Ihnen als Versicherungsmakler und Finanzanlagenvermittler ist. Die S&D-Fraktion unterscheidet zwischen der „voreingenommenen Finanzberatung“ mit Provisionen und einer idealisierten unabhängigen Honorarberatung, ohne dass sie wirklich weiß, wovon sie redet: „Provisionszahlungen verzerren die Finanzberatung von Verbraucherinnen und Verbrauchern, da Berater Produkte empfehlen, die mit höheren Kosten einhergehen, wenn sie dadurch höhere Provisionen erzielen können. Dieses einseitige System muss verboten und durch ein transparentes Beratungsmodell ersetzt werden, bei dem die Beratungsgebühren im Voraus zu entrichten sind“, so eine S&D-Pressmitteilung vom 24.05.2023.
Wie die Daten aus Großbritannien aber klar zeigen, gab bzw. gibt es dieses „transparente Beratungsmodell, bei dem die Beratungsgebühren im Voraus zu entrichten sind“, in der Praxis kaum. Die Wirklichkeit ist eine andere: Die Mittelschicht in UK sitzt auf mühsam zusammengekratzten, kaum verzinsten Sparpennies, die der Inflation ungeschützt ausgeliefert sind, da für Normalverdiener der Zugang zu Finanzberatung durch das Provisionsverbot inzwischen kaum noch möglich bzw. bezahlbar ist (vgl. ‚vt‘ 28/23).
‚vt‘-Fazit: Durch das Provisionsverbot in UK hat sich keine reine Honorarberatung entwickelt. Die ideologische Verklärung der dortigen Zustände und Verteufelung des heimischen Provisionssystems sind fehl am Platze. Ein genauer Blick auf die negativen Auswirkungen des Provisionsverbots in UK trägt zu einer Versachlichung der Provisionsdiskussion bei.
Darüber hinaus liefern die FCA-Daten zum Retail Investment-Markt in UK viele Belege, dass sich dort eine gewaltige Beratungslücke nach Einführung des Provisionsverbotes aufgetan hat (vgl. ‚vt‘ 29/22). Für die Erkenntnis, dass das Nebeneinander von Provisions- und Honorarberatung das viel intelligentere Modell ist, ist die Abnahme der ideologischen Scheuklappen längst überfällig.
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