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VHV: Zwangsstilllegung wenige Tage nach Erstellung der Kfz-Police?

Die Polizei klingelt, der Kraftfahrzeugbesitzer öffnet, wenige Minuten später ist an seinem Fahrzeug in der Garage die Zwangsentstempelung vollstreckt. Klarer Fall einer Zwangsstillegung, nachdem der Fahrzeughalter seine Kfz-Steuer oder die Haftpflichtprämie nicht gezahlt hat? Nein, ganz so klar ist der im Jahr 2022 beginnende Fall, bei dem sich der VN der VHV Allgemeine Versicherung AG gut versichert wähnte, nicht: Versicherungsmakler Dennis Keller, Geschäftsführer Versicherungsbüro Haiger GmbH/Haiger, stellte am 08.06.2022 für seinen Mandanten einen Antrag auf die Kfz-Versicherung ‚Flotte-Garant 1+‘.

Mit Schreiben vom 09.06. teilte die VHV dem VN mit, die VHV übernehme gerne den Versicherungsschutz ab 08.06.2022. „Sollte sich die Erstellung des Versicherungsscheines etwas verzögern, bitten wir um Ihr Verständnis. Ihr Versicherungsschutz wird dadurch selbstverständlich nicht beeinträchtigt“, erfährt der Kunde von der VHV, die zudem mitteilt, der Versicherungsbeitrag müsse erst nach Erhalt des Versicherungsscheins bezahlt werden. Der Versicherungsschein wurde am 13.06.2022 erstellt. Dort ist als Versicherungsbeginn der 08.04.2022 angegeben.

Warum der Versicherungsbeginn zwei Monate früher datiert ist, klärt sich im Laufe unserer Recherche, dazu später mehr. Entsprechend ist jedenfalls für den Zeitraum 08.04.2022 bis 01.01.2023 der Beitrag zur Haftpflicht berechnet. Der Erstbetrag sei bis zum 30.06.2022 fällig. So weit, so gut, doch bevor der Erstbeitrag überhaupt fällig ist, erfolgt am 22.06.2022 durch die Polizei die Zwangsentstempelung. Darüber erhielt der VN eine Kostenrechnung des zuständigen Landratsamtes in Höhe von 154 €. Versicherungsmakler Keller bat die VHV um Übernahme der Kostenrechnung.

Die VHV wolle ‚kulant‘ sein, zahlen will sie aber nur die Hälfte. Das will der Versicherungsmakler nicht akzeptieren und fordert die VHV mehrfach zur vollständigen Kostenübernahme auf. Der Schriftwechsel zieht sich über Monate hin, am Ende sind die Fronten verhärtet, der Fall landet bei der ‚vt‘-Redaktion. Unter Schilderung des uns dargelegten Sachverhalts haken wir bei VHV-Vertriebsvorstand Dr. Angelo O. Rohlfs nach:

++ Warum wurde im Versicherungsschein als Versicherungsbeginn der 08.04.2022 angegeben?  ++ Hat die VHV bei der zuständigen Zulassungsbehörde eine Anzeige nach § 25 Abs. 1 Fahrzeug-Zulassungsverordnung (FZV) erstattet? Wenn ja, warum?  ++ Worauf beruht es, dass bereits vor Ablauf der in der Police vom 13.06.2022 mitgeteilten Frist eine Anzeige nach § 25 Abs. 1 FZV erstattet wurde?  ++ Erfolgte vorab eine Zahlungserinnerung sowie eine Mahnung mit Hinweis auf die Folgen einer ausbleibenden Zahlung? Wenn ja, wann? Wenn nein, warum nicht?  ++ Die VHV hat mit Hinweis auf „Kulanz“ eine hälftige Kostenbeteiligung angeboten. Worauf beruht das Kulanzangebot?

Die konkreten Fragen beantwortet die VHV nicht, bezieht aber Stellung zum angefragten Fall: „Im Zuge der Kündigung der vorläufigen Deckung des von Ihnen angesprochenen Vertrages ist uns ein interner Bearbeitungsfehler unterlaufen, der dazu führte, dass der am 09.06.2022 verspätet eingehende Antrag angenommen und maschinell policiert worden ist, ohne dass eine neuerliche Deckungsbestätigung an die Zulassungsbehörde übermittelt wurde.“

Diese Aussage zur Kündigung der vorläufigen Deckung wird erst verständlich, wenn man den Hintergrund kennt, der auch mit der Vorlegung des Versicherungsbeginns zusammenhängt. Da konnten wir durch unsere Recherche mehr Licht ins Dunkel bringen. Tag der Zulassung war der 08.04.2022, dazu hatte der Versicherungsmakler das Notwendige auf den Weg gebracht. Frist für die Antragseinreichung war der 06.06., doch da blieben die Erinnerungen des Versicherungsmaklers an seinen Mandanten zunächst erfolglos.

Im Ergebnis führte das dann zu dem um zwei Tage verspäteten Antrag am 08.06. „Ursächlich für das für den Kunden unbefriedigende Ergebnis sind die Verkettung der verspäteten Einreichung des Antrages durch den Vermittler mit einem manuellen Bearbeitungsfehler bei der VHV in ansonsten korrekt verlaufenen (maschinellen) Prozessen“, bewertet die VHV den Vorgang.

Dabei war dem Versicherungsmakler durchaus bewusst, dass ein verspäteter Antrag Brisanz entwickeln könnte. „Meine ausführende Sachbearbeiterin telefonierte der Sache rein sicherheitshalber noch hinterher und da hieß es telefonisch, dass alles OK sei. Unmittelbar danach erfolgte ja auch die Policierung“, berichtet Keller, der insbesondere in der Reiter-Szene unter dem Namen ,Der Vierpfotenmakler’ bekannt ist.

Eben jene Policierung mit Versicherungsbeginn auf den Tag der Zulassung am 08.04.2022. Wie sollten Makler und VN da erkennen, dass doch nicht alles in Ordnung ist, zumal Keller von dem Telefonat berichtet. Unsere Frage, ob es Zahlungserinnerung und Mahnschreiben gab, lässt die VHV zudem unbeantwortet. „Die VHV hat sich dazu bereits umfänglich mit dem Vermittler ausgetauscht und den Vorgang sorgfältig geprüft. Da auch wir einen Fehler gemacht haben, ist die VHV dem Vermittler bereits entgegengekommen und hat angeboten, die Hälfte der Gebühren der Zulassungsbehörde zu übernehmen. Wir betrachten den Vorgang mittlerweile als abgeschlossen und sind verwundert über die Kontaktaufnahme zu Dritten von Seiten des Vermittlers zum jetzigen Zeitpunkt“, bleibt die VHV dennoch bei ihrer Entscheidung.

„Wir möchten betonen, dass hier auf Seiten der VHV kein strukturelles Problem oder ein Systemfehler vorliegt. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir uns zu weiteren Details nicht öffentlich äußern“, legt die VHV abschließend Wert auf ihre Feststellung, dass die maschinellen Prozesse funktionieren und eben kein strukturelles Defizit besteht. Auf unser Verständnis kommt es hier aber nicht an, eher schon das der Leser und der VHV-Geschäftspartner. Für uns ist wichtig, Licht ins Dunkel zu bringen.

Da versuchen wir die unterschiedlichen Sichtweisen zusammenzufassen: Knackpunkt ist offensichtlich, dass der Antrag verspätet eingereicht wurde, nachdem der Kunde die noch fehlenden Daten zunächst nicht lieferte, aus Sicht des Vermittlers aber alles geheilt war, da ja dann doch policiert wurde, und zwar rückwirkend zum Zulassungstag.

Nun stützt die VHV sich darauf, dass der Fehler durch die verspätete Einreichung ausgelöst wurde, verkennt aber, dass Versicherungsmakler und VN nach der erfolgreichen Policierung nichts mitbekommen haben bzw. mitbekommen konnten, dass das Unheil im Hintergrund seinen Lauf nahm. Die VHV hätte dies u. E. aber erkennen und mit einer neuerlichen Deckungszusage heilen können.

‚vt‘-Fazit: Auch wenn die Antragsfrist nur um zwei Tage überschritten wurde, so wurde dennoch die Frist überschritten. Nachdem der verspätete Antrag aber nicht nur policiert wurde, sondern als Versicherungsbeginn rückwirkend auch der Tag der Zulassung ausgewiesen wurde, war für VN und Vermittler nicht erkennbar, dass im Hintergrund dennoch eine Zwangsstilllegung auf den Weg gebracht wurde. Über diesbezügliche Informationen berichten auch weder VN/Makler noch die VHV.

Während für VN und Versicherungsmakler sich es so darstellte, als sei alles in bester Ordnung, hätte die VHV erkennen können, dass es zwei Vorgänge zu dem Vertrag gab. Demnach hätte von der VHV das herannahende Unheil durch Übermittlung einer neuerlichen Deckungsbestätigung gestoppt werden können. Diesen Fehler räumt die VHV auch ein. Die hälftige Beteiligung ist daher keine Kulanz.

Was im Hintergrund passierte, konnte nur die VHV erkennen. Da keine erneute Deckungszusage auf den Weg gebracht wurde, wäre die Übernahme der Gebühren angemessen. Den Schaden des stillgelegten Fahrzeugs hat der VN ohnehin.

 

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