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vzbv betreibt Stimmungsmache: Die nicht rechtskräftigen LG-Urteile unter der Lupe

„Versicherungsvermittler dürfen sich nicht als unabhängig darstellen“, titelt der vzbv in einer Pressemitteilung vom 24.10.2023 und bezieht sich dabei auf zwei von ihm erstrittene Urteile. Nach einer Kurzanalyse der Gerichtsentscheidungen und Abgleich mit der vzbv-Presseinfo haben wir bereits in der ‚vt‘-Ausgabe der Vorwoche mehrere Kritikpunkte an der Vorgehensweise des vzbv aufgeführt und deren unsachliche Stimmungsmache entlarvt (vgl. ‚vt‘ 44/23). Zusammen mit den Kollegen unserer Schwesterredaktion ‚kapital-markt intern‘ haben wir die Urteile zwischenzeitlich für Sie ausführlich durchleuchtet und lassen heute auch die betroffenen Finanzdienstleister zu Wort kommen.

Widmen wir uns zunächst der Entscheidung des LG Köln vom 15.06.2023 (Az.33 O 15/23): Dem dort beklagten Versicherungsmakler wurde mit dem Urteil untersagt, „im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern eine Versicherungsberatung ohne Vermittlungsziel anzubieten, ohne über eine Zulassung nach § 34d Abs. 2 GewO zu verfügen“. Laut LG Köln soll der Versicherungsmakler gegen die Vorschrift des § 34d Abs. 3 GewO verstoßen haben. Bei dem sogenannten Tätigkeitsverbot in § 34d Abs. 3 GewO handelt es sich laut LG Köln um eine Marktverhaltensregelung: „Wer als Versicherungsvermittler tätig ist, darf nicht als Versicherungsberater tätig sein und umgekehrt.“

Das angebliche ‚Corpus Deliciti‘: „Der Beklagte (...) bietet an, als Versicherungsmakler oder als Versicherungssachverständiger tätig zu werden. Die Hinweise zur Vergütung, wonach die ‚Beratung und Vertragsvermittlung durch den Versicherungsmakler (...) durch eine Courtage abgegolten‘ sei, ‚die Beratung ohne Vermittlung durch den Versicherungssachverständigen (...) durch eine Honorarvereinbarung‘ erfolge, stellt beide Tätigkeitsfelder nebeneinander.“ Anders als in der Pressemitteilung vom vzbv suggeriert, äußert sich das LG Köln in diesem Einzelfall also gar nicht konkret oder grundsätzlich zu der Frage, ob sich z. B. Versicherungsmakler als „unabhängig“ bezeichnen dürfen, noch welche Rolle Provisionen dabei spielen. Auf Anfrage erklärt uns der betroffene Versicherungsmakler – Die Finanzprüfer e. K. – Walter Benda/Kerpen:

„Die Pressemitteilung des vzbv ist sehr sportlich, denn ich wurde nur wegen eines Satzes abgemahnt, der Klarstellung, dass eine Beratung auch ohne anschließend zwingende Vermittlung erfolgen kann. Die reine Aussage, dass kein Kaufzwang besteht, wurde mir als unerlaubte Tätigkeit eines Versicherungsberaters unterstellt. Eine etwaige Abhängigkeit eines Versicherungsmaklers aufgrund von Provisionen war nie streitgegenständlich, sondern wurde nur als Argument durch die vzbv aufgeführt.“ Gleichzeitig weist Versicherungsmakler Benda darauf hin, dass er bereits – vertreten durch RA Daniel Berger, Kanzlei Wirth-Rechtsanwälte – vor dem OLG Köln Berufung eingelegt hat. 

Um einen ganz anderen Sachverhalt ging es beim Urteil des LG Bremen vom 11.07.2023 (Az. 9 O 1081/22). Dem Unternehmen wird dort vom Gericht auferlegt, es zu unterlassen auf der Internetseite gegenüber Verbrauchern beim Angebot von Finanzdienstleistungen als Anlageberater oder Versicherungsmakler mit folgenden Formulierungen zu werben: „‚Wir bieten bundesweit produktunabhängige Beratung an.‘ und/oder ‚Wir bieten bundesweit eine unabhängige Beratung zu folgenden Themen:‘ (…)“ Der Unterlassungsanspruch des vzbv stützt sich darauf, dass angeblich „eine irreführende geschäftliche Handlung“ vorliege: „Nach den eigenen Angaben der Beklagten im Impressum ihrer Internetseite verfüge die Beklagte über eine Zulassung nach § 34f Abs. 1 GewO und gerade nicht nach § 34h GewO (…) Daher könne sich nach Auffassung des Klägers allenfalls der Honorar-Anlagenberater als unabhängig bezeichnen, der Finanzanlagenvermittler hingegen nicht, und zwar auch dann nicht, wenn er in Einzelfällen anstatt oder neben einer Provision sein Honorar vom Anleger erhalte. Abgrenzungskriterium sei eben die Unabhängigkeit.“

Das LG Bremen folgt dem insoweit, „weil auch unter Berücksichtigung des Gedankens aus § 94 WpHG ‚Unabhängigkeit‘ nach den Regelungen in § 34f Abs. 1 GewO und § 34h GewO eine Unabhängigkeit nur im Falle des Honorar-Anlagenberaters im Sinne von § 34h GewO angenommen werden kann und nur er sich als unabhängig bezeichnen kann. Der Finanzanlagenberater kann dies dagegen nicht, auch wenn er in Einzelfällen anstatt oder neben einer Provision sein Honorar vom Anleger erhält“. Die Betonung liegt hier u. E. auf der Spekulation „angenommen werden kann“. Hintergrund:

Im Kapitalanlagebereich gibt es seit dem Zweiten Gesetz zur Novellierung von Finanzmarktvorschriften auf Grund europäischer Rechtsakte (2. FiMaNoG) einen formalen bzw. aufsichtsrechtlichen Be­zeichnungsschutz für Wertpapierdienstleistungsunternehmen hinsichtlich der Bezeichnung „unabhängig“ (§ 94 WpHG). In der GewO gibt es dazu beim § 34f und h allerdings keine direkte Entsprechung. Daher wird auch hier die nächste Instanz entscheiden müssen. Wie uns der im Fall des LG Bremen betroffene Finanzdienstleister – die Finanzberatung Schorn GmbH/Bremen – auf Anfrage mitteilt, habe man „in Abstimmung mit dem AfW Bundesverband Finanzdienstleistung vor dem Hanseatischen Oberlandesge­richt in Bremen Berufung gegen das Urteil eingelegt“.

Gegenüber der Redaktion erläutert GF Thomas Mitroulis von der Finanzberatung Schorn dazu: „Die Vielzahl der Kundendepots wird bei der FIL Fondsbank geführt, dort haben wir Zugriff auf mehr als 7.800 Investmentfonds namhafter Fondsgesellschaften und Fondsboutiquen. Von einer unabhängigen Beratung – gleich, ob im Finanzanlagen- oder Versicherungsbereich – wird der durchschnittliche Verbraucher nach unserer Auffassung lediglich erwarten, dass der Berater keinen rechtlichen oder zumindest faktisch vermittelten Verpflichtungen gegenüber dem Produktanbieter/Versicherer unterliegt – wie dies z. B. bei einem Versicherungsvertreter, einem Bankberater oder einem gebundenen Vertreter nach § 2 Abs. 10 KWG/§ 3 Abs. 2 WpHG der Fall ist –, und ausschließlich im Interesse des Kunden tätig wird.“

Durch eine Provisionszahlung, so Mitroulis, „wird die Finanzberatung Schorn nicht abhängig – zumal die Zahlung wirtschaftlich sogar durch den Kunden erfolgt“. Man biete den Kunden grundsätzlich zwei verschiedene Vergütungsmodelle an: „Sie haben die Wahl zwischen traditionellen Provisionsmodellen bis hin zu Honorar-Modellen in denen wir keine Provisionen erhalten“, ergänzt Mitroulis. Da es im Fall LG Bremen um die Bezeichnung „unabhängig“ im Zusammenhang mit § 94 WpHG und um Zulassungen nach § 34f und h GewO geht, ist jedenfalls klar, dass hier keinesfalls, wie von der vzbv suggeriert, die Unabhängigkeitsdarstellung bei Versicherungsvermittlern oder gar Versicherungsmaklern zur Debatte steht.

‚vt‘-Fazit: Die beiden Urteile sind alles andere als „richtungsweisend“, wie der vzbv behauptet. Offensichtlich ist der vzbv bemüht, die Frage der Unabhängigkeit auf das Thema der Provisionen, respektive der Herkunft der Vergütung, zu verengen. In Sachen ‚Unabhängigkeit‘ gibt es nun also eine Wiedervorlage vor dem OLG Köln und OLG Bremen. Bis zur weiteren Klärung in Bremen raten wir Finanzanlagenvermittlern dazu, Aussagen, die sich auf die eigene Unabhängigkeit beziehen, zu überprüfen, um sich keinen unnötigen Ärger einzuhandeln. Das Urteil des LG Köln halten wir für rechtsfehlerhaft.

So unterliegen Versicherungsmakler keinem Honorarannahmeverbot. Und wenn die 33. Zivilkammer zudem meint, der Versicherungsmakler „ist als Inhaber einer Zulassung als Versicherungsmakler nicht hinreichend neutral und unabhängig, wie es dem gesetzlichen Leitbild des Beraters nach § 34d Abs. 2 GewO entspricht“, dann empfehlen wir, sich ausführlicher mit dem gesetzlichen Tätigkeitsbild des Versicherungsmaklers – dessen Beratungspflichten – und dem Sachwalterurteil des BGH zu beschäftigen.

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