Die Element Insurance AG/Berlin steht vor dem Aus und könnte weitere Marktteilnehmen mit in den Abgrund reißen. Wir fassen die Ereignisse seit kurz vor Weihnachten bis heute zusammen und beleuchten insbesondere die Folgen und Handlungsempfehlungen für Kunden des Assekuradeurs direkt-AS GmbH/Düsseldorf und mit diesem zusammenarbeitende Versicherungsmakler: ++ Im Dezember 2024 hat die BaFin dem Insurtech Element das Neugeschäft verboten. Am 20.12. hatte Element nach der Kündigung ihres wichtigsten Rückversicherers der Aufsicht den Eintritt von Überschuldung im Sinne von § 19 Insolvenzordnung (InsO) angezeigt ++ Am 23.12. stellte die BaFin beim zuständigen Amtsgericht Charlottenburg einen Antrag auf die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gegen Element ++ Am 08.01.2025 bestellte das Insolvenzgericht Rechtsanwalt Friedemann Schade, Berliner Partner in der Kanzlei BRL BOEGE ROHDE LUEBBEHUESEN, zum vorläufigen Insolvenzverwalter ++ Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch das AG Charlottenburg rechne Schade im Februar 2025, teilt BRL am 10.01. mit. Kommen wir damit zur direkt-AS. Als Assekuradeur bietet diese Versicherungsmaklern Absicherungskonzepte für Privat- und Gewerbekunden, bspw. mit dem Produkt ‚direkt Home‘ Wohngebäude- und Hausratversicherung sowie mit ‚MFH-direkt‘ eine Gebäudeversicherung auch für Mehrfamilienhäuser. Die Problematik zur drohenden Insolvenz der Element ergibt sich aus deren Funktion als Risikoträger. Wie wir von Versicherungsmaklern hören, soll Element bei allen direkt-AS-Konzepten Risikoträger sein, was den Umfang des Problems auch für den Assekuradeur selbst verdeutlichen würde. Wir haben bei Daniel Wirtz, Geschäftsführer der direkt-AS, nachgehakt: ++ Ist Element bei allen von direkt-AS angebotenen Versicherungen Risikoträger? Wenn nein, bei welchen Produkt/en fungiert ein anderes Unternehmen als Risikoträger und wer ist dies? ++ Haben Sie Ihre Geschäftspartner über die Probleme der Element und daraus resultierende mögliche Folgen informiert? ++ Welche Handlungsempfehlungen haben Sie für Versicherungsmakler und Versicherungsnehmer? ++ Sind Schadenzahlungen für bisherige und aktuelle Schäden sichergestellt? Wenn ja, wie?
Darüber hinaus wollten wir von direkt-AS wissen: ++ Sollten Versicherungsmakler/VN erteilte SEPA-Lastschriftmandate widerrufen? Wenn nein, warum nicht? ++ Sollten Versicherungsmakler/VN die Lastschriften kürzlich eingezogener Beiträge zurückbuchen? Wenn nein, warum nicht? ++ Sollten Versicherungsmakler/VN die Policen mit Blick auf den Insolvenzantrag oder § 16 VVG kündigen? Wenn nein, warum nicht? ++ Sollten Versicherungsmakler/VN vor dem Hintergrund möglicher Zahlungsschwierigkeiten bei der Schadensregulierung zukünftiger Schäden neue Verträge bei anderen Anbietern abschließen? Wenn nein, warum nicht? ++ Nach Marktinformationen sind Sie als Geschäftsführer trotz der prekären Lage zu einer Reise nach Südamerika aufgebrochen. Ist dies zutreffend? Wenn ja, wer war in dieser Zeit verantwortlich/Ihr Vertreter? Viele Fragen, auf die Versicherungsmakler gerne Antworten hätten, doch direkt-AS schweigt sich aus. Dass Wirtz auf Tauchstation geht, wenn es brenzlig wird, ist allerdings nichts Neues:
Diese Erfahrung durften wir bereits bei der 2016 eingetretenen Insolvenz der Gable Insurance AG mit Sitz in Vaduz/Liechtenstein machen. Schon damals gab es u. a. die Privatkundenprodukte ‚direkt Home’ und ‚MFH-direkt’. Auf die Fragen der ‚vt‘-Redaktion, was Versicherungsmakler und VN tun sollten und wie direkt-AS Unterstützung leistet bei einem in der Regulierung befindlichen oder vor der Neueindeckung des Risikos eintretenden Schaden, der nicht mehr im vollen Umfang aus der Insolvenzmasse bedient wird, antwortete Wirtz nicht (vgl. ‚vt‘ 49/16). Beleuchten wir den aktuellen Sachverhalt und rechtliche Hintergründe, aus der sich sinnvolle und notwendige Handlungsempfehlungen ergeben: ++ Die Versicherungsverträge laufen auch nach der Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung weiter. Eine andere Situation stellt sich nach § 16 VVG ein, wenn es zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens kommt. Dann enden die Versicherungsverträge binnen Monatsfrist, ohne dass es einer gesonderten Kündigung bedarf. Zwar prüft der vorläufige Insolvenzverwalter Schade, wie dieser mitteilt, die Möglichkeiten für Bestandsübertragungen des Element-Vertragsportfolios auf eine solvente Versicherungsgesellschaft. Angesichts der Turbulenzen gerade im Bereich der Wohngebäudeversicherung sehen wir da allerdings schwarz ++ Über die Folgen für die Schadenregulierung klärt der vorläufige Insolvenzverwalter Schade auf:
„Alle noch nicht regulierten Schadenfälle werden seit der Sicherungsanordnung des Insolvenzgerichts vom 08.01.2025 nach den Spezialvorschriften des Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) und der Insolvenzordnung behandelt. Dies gilt gleichermaßen für bereits eingetretene, wie auch für künftige Schadenfälle. Die Prüfung der Schadenfälle wird von den Partnern der Element und von deren Mitarbeitern unverändert fortgesetzt. Zahlungen auf Schadenfälle erfolgen hingegen zunächst nicht mehr. Stattdessen sind die Schäden nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens anzumelden und werden dann aus dem Sicherungsvermögen nach § 125 VAG bedient. Auf dieses Sicherungsvermögen, das das Unternehmen zur Absicherung der Ansprüche der Versicherten nach den Vorschriften des VAG zu bilden hatte, haben alle Schadengläubiger einen vorrangigen Anspruch vor allen anderen Gläubigern im Insolvenzverfahren. Sollte das Sicherungsvermögen zur vollständigen Regulierung aller Schäden nicht ausreichen, werden die Ansprüche quotal bedient.“
Versicherungsmakler dürften gut beraten sein, die Kunden über die Problematik aufzuklären und ihnen neuen Versicherungsschutz zu empfehlen. Das Risiko bei einem Schadenfall in eine Quotelung zu laufen, erscheint uns jedenfalls erheblich weniger akzeptabel als 1 oder 2 Monatsprämien in den Sand zu setzen. Kommen wir damit zu den Folgen für anstehende oder aktuell gezahlte Beiträge: Wie bereits erläutert, laufen die Versicherungsverträge auch nach der Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung weiter, sie enden binnen Monatsfrist nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Der VN muss bis zur Vertragsbeendigung die für diese Zeit anteilige Prämie zahlen und auch seine Obliegenheiten erfüllen. Zu viel gezahlte Prämie kann der VN nach § 39 Abs. 2 VVG zurückfordern. Allerdings genießt diese Forderung keinen vorrangigen Anspruch, sondern ist eine einfache Insolvenzforderung. Was können Versicherungsmakler aktuell machen? Wenn möglich, könnte auf Monatszahlung umgestellt werden. Wer darüber nachdenkt, eine kürzlich eingezogene Lastschrift für die Jahresprämie zu widerrufen, sollte bei der Überlegung mitbedenken, dass der Insolvenzverwalter wohl die anteilige Prämie als auch Bankgebühren für die geplatzte Lastschrift fordern wird. Aber angesichts der prekären Lage, dass entsprechend der Ankündigung des vorläufigen Insolvenzverwalters nicht ausgeschlossen werden kann, dass Ansprüche aus Schadenfällen trotz Sicherungsvermögen nur quotal bedient werden, halten wir die Anwendung von § 314 („Kündigung von Dauerschuldverhältnissen aus wichtigem Grund“) Abs. 1 BGB für gegeben: „Dauerschuldverhältnisse kann jeder Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.“
Bei einer fristlosen Kündigung sollte dies mit Hinweis auf § 314 Abs. 1 BGB erfolgen. Kündigungsrechte werden durch § 16 VVG jedenfalls nicht ausgeschlossen, so der Praxiskommentar zum Versicherungsvertragsgesetz von Hans-Peter-Schwintowski, Christoph Brömmelmeyer und Martin Ebers (4. Auflage): „Das Versicherungsverhältnis kann daher vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder während der Monatsfrist aus anderen Gründen erlöschen. Der VN kann das Versicherungsverhältnis bereits bei einer wesentlichen Verschlechterung der finanziellen Lage des VR nach § 314 Abs. 1 BGB kündigen.“
„Für Versicherungsmakler ist nun sicher einiges zu tun. Der Versicherungsmakler ist als treuhänderischer Sachwalter im Lager des Versicherungsnehmers zu umfangreicher Beratung seines Kunden verpflichtet. In seinem Pflichtenkreis liegt es, bei Anlass auf Umstände aufmerksam zu machen, die Beweggrund zur Vertragsänderung oder zum Abschluss eines neuen Versicherungsvertrages sein könnten. Tätigkeit ist erforderlich, wenn Informationen vorliegen, die erkennen lassen, dass zumindest unklar ist, ob der Bedarf ausreichend gedeckt ist. Es besteht damit eine Hinweispflicht auf mögliche Versicherungslücken durch Veränderungen hinzuweisen“, erläutert RAin und Fachanwältin für Versicherungsrecht Kathrin Pagel, Partnerin in der Kanzlei Michaelis, und weist auf das Urteil des BGH vom 10.03.2016 (I ZR 147/14, NJW 2016, 3366) hin: „Die Pflichten des Versicherungsmaklers gehen weit. Er wird regelmäßig vom VN beauftragt und als sein Interessen- oder sogar Abschlussvertreter angesehen. Er hat als Vertrauter und Berater des VN individuellen, für das betreffende Objekt passenden Versicherungsschutz oft kurzfristig zu besorgen. Deshalb ist er anders als sonst der Handels- oder Zivilmakler dem ihm durch einen Geschäftsbesorgungsvertrag verbundenen VN gegenüber üblicherweise sogar zur Tätigkeit, meist zum Abschluss des gewünschten Versicherungsvertrages verpflichtet. Dem entspricht, dass der Versicherungsmakler von sich aus das Risiko untersucht, das Objekt prüft und den VN als seinen Auftraggeber ständig, unverzüglich und ungefragt über die für ihn wichtigen Zwischen- und Endergebnisse seiner Bemühungen, das aufgegebene Risiko zu platzieren, unterrichten muss. Wegen dieser umfassenden Pflichten kann der Versicherungsmakler für den Bereich der Versicherungsverhältnisse des von ihm betreuten VN als dessen treuhänderähnlicher Sachwalter bezeichnet und insoweit mit sonstigen Beratern verglichen werden.“
‚vt‘-Fazit: Die Sicherstellung des individuell notwendigen Versicherungsschutzes hat Vorrang, damit zukünftige Schadenfälle nicht auch noch dem Insolvenzregime unterliegen. Soweit Beitragszahlungen nicht mehr erfolgen oder Lastschriften widerrufen werden sollen, sollte dies mit § 314 Abs. 1 begründet werden. Mit Blick auf die direkt-AS könnten Versicherungsmakler sich nun verstärkt die Frage stellen, ob es unglücklicher Zufall ist, dass das ‚Insolvenzpech‘ erneut bei einem Risikoträger der Düsseldorfer zugeschlagen hat. Sie könnten sich aber auch die Frage stellen, ob andere Versicherer nicht als Risikoträger fungieren wollten. Leistungsfähige Deckungskonzepte mit Top-Service und -Schadenregulierung einhergehend mit günstigsten Prämien und langfristiger Bestandssicherheit werden wohl auch weiterhin die nicht mögliche Quadratur des Kreises bleiben.