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Zurich: Werden VN mit fingierter Beratungsdoku Fünfjahresverträge untergeschoben?

Ein Versicherungsvertreter der Zurich Gruppe Deutschland, eine dem Kunden nicht vorliegende Beratungsdokumentation ohne Unterschriften zu einer telefonischen Beratung, an die der VN sich nicht erinnern kann, ein aufmerksamer Versicherungsmakler, der sich energisch für seinen Mandanten einsetzt. Das sind die Zutaten eines sehr dubiosen Falls, bei dem der Versicherungsmakler und die ‚vt‘-Redaktion gemeinsam die Wahrheit ans Tageslicht befördern:

Im Oktober 2021 ersucht ein Senior die Dienste des Versicherungsmaklers Christopher Schätzl, Vorstand Hans Schätzl Versicherungs- und Finanzmakler AG/Passau. Der hochbetagte Pensionär, Vater eines langjährigen Mandanten, sei nicht nur körperlich noch sehr rüstig, sondern insbesondere auch geistig noch topfit, berichtet Schätzl über seinen neuen Kunden. Dessen Anliegen: Er kommt mit einer Police der Zurich Insurance nicht klar. Der bisher von einem Zurich-Vertreter betreute Vertrag mit früherer Hauptfälligkeit 01.07. wurde ausweislich eines Beitragsänderungsschreibens auf Hauptfälligkeit 01.11. datiert.

Aber nicht nur deshalb mandatiert er Versicherungsmakler Schätzl. Es handelt sich um eine Privatschutz-Police mit Hausrat- Wohngebäude-, Privathaftpflicht- sowie Berufs-, Privat- und Verkehrs-Rechtsschutz-Versicherung. Den Versicherungsordner hat der VN übersichtlich geführt, doch die vorhandenen Unterlagen zum Zurich-Vertrag sind dürftig. So fordert Schätzl am 26.10.2021 unter Vorlage der Vollmacht den aktuellen Vertragsstand und Kopien der letzten Änderungsanträge sowie Unterlagen, die die Ursache der Hauptfälligkeitsänderung dokumentieren, an.

Er erhält am 16.11.2021 eine Policenkopie und stellt erstaunt fest, dass der Versicherungsablauf auf den 01.11.2024 datiert. Obendrein wird, trotz Vorlage der Vollmacht, im Schreiben der Zurich an den VN als auch im Ersatzversicherungsschein als Ansprechpartner weiterhin das Versicherungsbüro des Zurich-Vertreters angegeben. Am 29.11. moniert Schätzl die fehlenden Unterlagen und fordert erneut Kopien der letzten Änderungsanträge sowie die Beratungsdokumentation an.

Zudem bittet er um einen Beleg zur Willenserklärung des VN zum Vertragsablauf Ende 2024. Doch nun bleibt die Zurich beunruhigend still: Schätzl erinnert am 09.12. an den Vorgang. Nach drei erfolglosen Versuchen richtet er am 22.12. eine Vorstandsbeschwerde an Zurich Deutschland-Boss Dr. Carsten Schildknecht. Als auch die unbeantwortet bleibt, schreibt er den Zurich-CEO erneut an. Schließlich landet der Vorgang auf dem ‚vt‘-Redaktionstisch. Wir fordern von Dr. Schildknecht eine Stellungnahme ab und wollen u. a. wissen:

++ Ob der VN der Verlegung der Hauptfälligkeit  zugestimmt hat und ob zum Vorgang eine Beratungsdokumentation mit Unterschrift des VN vorliegt  ++ Warum die Verträge um mehrere Jahre verlängert wurden, ob der VN dieser Verlängerung zugestimmt hat und ob zum Vorgang ein Antrag und eine Beratungsdokumentation mit Unterschrift des VN vorliegt.

++ Wie sich die Verlegung der Hauptfälligkeit und die mehrjährige Vertragsverlängerung mit § 1a VVG vereinbaren  ++ Warum trotz Vorlage der Vollmacht weiterhin das Versicherungsbüro des Zurich-Vertreters als Ansprechpartner und nicht der mandatierte und betreuende Versicherungsmakler angegeben wird.

„Wir haben den Fall bereits mit dem Makler direkt geklärt“, teilt uns die Zurich ein paar Tage später mit und beantwortet unsere Fragen nicht. Zutreffend ist, und darüber hatte uns Schätzl zwischenzeitlich informiert, dass Zurich dem Versicherungsmakler Unterlagen und eine Antwort hat zukommen lassen. Geklärt ist das Kundenanliegen damit aber nicht: „Man hat uns lediglich nach nunmehr gut drei Monaten Unterlagen übermittelt – die aber noch mehr Fragen aufwerfen“, kritisiert Schätzl, der Mitglied im Berufsverband Interessengemeinschaft Deutscher Versicherungsmakler e.V. (IGVM) ist.

Schauen wir uns einige Ungereimtheiten an: ++ Laut Beratungsdokumentation wurde diese zu Beratung am 28.10.2019, die „telefonisch erfolgte“, erstellt. „Die für Ihre Vertragserklärung relevanten Unterlagen wurden Ihnen vorab zur Verfügung gestellt.“ Na prima, dann hätte der Kunde sich die neuen Verträge und langen Laufzeiten ja anschauen können.

Doch da gibt es einen Haken: „Mit Datum vom 28.10.2019 wurde Herrn … ein Angebot bezüglich Umstellung des Versicherungsschutzes auf unser aktuelles Produkt, den Privatschutz unterbreitet, welches von ihm angenommen wurde“, hatte Zurich geantwortet. Da fällt das identische Datum auf: Wenn das Angebot am gleichen Tag wie die telefonische Beratung zugestellt wurde, dann hatte der VN nicht nur wenig Zeit zur Prüfung, sondern es stellt sich auch die Frage, wie die Übermittlung stattfand – per Briefpost konnte das am gleichen Tag jedenfalls nicht funktionieren.

„Der VN verfügt über keine E-Mailadresse und kein Fax“, wundert sich nicht nur Schätzl, wie das Angebot am Tag der Beratung den Weg zum VN gefunden haben soll. Wobei der Kunde, so der Versicherungsmakler, sich weder an ein Angebot noch an eine telefonische Beratung erinnert  ++ „Die Beratung wurde aus folgendem Anlass gewünscht“, sieht die Zurich-Beratungsdoku eine Angabe vor – doch beim Beratungswunsch herrscht gähnende Leere  ++ Ebenso fehlen Unterschriften – die Beratungsdoku ist weder vom Vermittler noch vom VN unterschrieben!

++ Laut Ausführungen der Zurich wurde der früherer Vertrag mit Hauptfälligkeit 01.07. durch den neuen Vertrag ersetzt, womit die Verschiebung der neuen Fälligkeit auf den 01.11. eines Jahres erklärt werden soll. Allerdings ist dem VN, wie Schätzl berichtet, ein Auftrag zur Vertragsaufhebung nicht erinnerlich. Jedenfalls wurde, auf wessen Betreiben auch immer, die MultiPlus Police mit Haftpflicht, Hausrat und Rechtsschutz aufgehoben und mit dem umfassenderen Vertrag, der auch Wohngebäude beinhaltet, ersetzt. Und zwar mit einem satten Fünfjahresvertrag!  ++ Doch bei der zusätzlichen Wohngebäudeversicherung wirft Schätzl zu recht die Frage auf, warum „die bei einem anderen Versicherer bestehende Brandversicherung keine Berücksichtigung in der Beratung fand und die Gefahr Feuer doppelt versichert wurde“.

++ Höchst fragwürdig ist auch der laut Beratungsdoku bei Hausrat und Wohngebäude – trotz in der Beratungsdoku zu lesender gegenteiliger Empfehlung des Zurich-Vertreters – erfolgte Verzicht „auf den Einschluss von Elementargefahren“. Denn Schätzl weiß, „das Haus des VN steht in Hanglage und Bachnähe“.

++ Statt um reale Gefahren mit teuren Folgen muss sich der hochbetagte VN umso mehr ‚Sorgen‘ um sein (nicht vorhandenes) Sportequipment gemacht haben: „Ihre Sportausrüstung wünschen Sie bei einem einfachen Diebstahl mit einer Summe von 2.000 € versichert.“ Es ist schon skurril, dass der Pensionär „besonderen Wert darauf legt, seine Sportsachen auch außerhalb der Wohnung in seiner Hausratversicherung gut versichert zu wissen – der VN ist körperlich zwar sehr rüstig, er treibt aber keinen Sport, weder aus- noch inhäusig“, wundert sich Schätzl über die Informationen laut Beratungsdoku.

++ Warum der Kunde einen Fünfjahresvertrag wollte, lässt sich der Beratungsdoku nicht entnehmen. Und einen Hinweis im Vertrag an den VN, dass ein Fünfjahresvertrag vorzeitig zum Ende des dritten Jahres gekündigt werden kann, hat sich die Zurich gespart  ++ Kommen wir noch zur Antwort, warum trotz der Vollmacht der Vertreter in Schriftstücken weiterhin als Ansprechpartner aufgeführt wird. Der Vertrag werde „im Rahmen der Bestandsübertragung zur nächsten Fälligkeit“ auf den Versicherungsmakler übertragen, der werde „bis zu diesem Termin zu diesem Vertrag als Korrespondenzmakler geführt“.

Im Weiteren heißt es dazu: „Die Übertragung erfolgt technisch am 01.10.2022, damit die Courtage ab der Hauptfälligkeit, dem 01.11.2022, korrekt“ dem Versicherungsmakler zugeschrieben werden könne. Eine sofortige Übertragung in dessen Bestand „wäre nur mit entsprechenden Provisionsausgleichszahlungen möglich“. Dabei geht es Schätzl nicht um die Courtage bis zur nächsten Fälligkeit, sondern darum, dass der VN korrekt informiert wird, wer der Ansprechpartner und Betreuer ist.

Doch da vermuten wir, dass veraltete, jedenfalls die heutigen Erfordernisse nicht erfüllende, IT der Zurich die u. E. erforderliche korrekte Nennung des Ansprechpartners nicht ermöglicht. Was für automatische Prozesse untaugliche IT nicht kann, sollte die Zurich dann aber ‚per Hand‘, spricht individuell, erledigen, damit die Angaben korrekt sind.

‚vt‘-Fazit: ++ Die sehr lange Bearbeitungszeit von über drei Monaten sowie die erst auf mehrfache Anfrage und sehr spät ausgehändigte Beratungsdoku scheinen darauf hinzudeuten, dass die Zurich zwar schnell erkannt hat, dass es erhebliche Zweifel am rechtmäßigen Zustandekommen der diversen Absicherungen mit fünfjähriger Laufzeit gibt, aber längere Zeit überlegt hat, wie man eine Vertiefung des Problems vermeiden kann  ++ Da Versicherungsmakler Christopher Schätzl nicht locker gelassen und schließlich die ‚vt‘-Redaktion eingeschaltet hat, sind womögliche Vertuschungsbemühungen gescheitert. 

++ Wie es in der konkreten Sache weitergeht – eine erneute Anfrage läuft – steht noch nicht fest. Zunächst hat Schätzl fehlerhafte Absicherungen des Zurich-Vertreters u. a. mit Differenzdeckungen für seinen Mandanten in Ordnung gebracht  ++ An dem Fall zeigt sich auch der Wert einer Unterschrift unter die Beratungsdoku. Soweit keine Beratung erfolgte, kann natürlich auch keine Unterschrift des Kunden drunter stehen. Mit einer Unterschrift des VN haben Vermittler aber bessere Karten bei Fehlberatungsvorwürfen.

 

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