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'Der Spiegel' irrlichtert wieder durch den 'Grauen Kapitalmarkt'

Das Hamburger Nachrichtenmagazin hat sich mal wieder am sog. 'Grauen Kapitalmarkt' abgearbeitet. Aber schon beim Einstieg entgleist der Artikel fachlich: "'Das ist Müll'. Finger weg vom grauen Kapitalmarkt: Anlageprodukte wie Nachrangdarlehen, Genussscheine oder geschlossene Fonds werden immer wieder an Privatanleger verkauft. Verbraucherschützer und Anwälte warnen vor hohen Risiken", so 'Der Spiegel' am 17.09.2021. Schon diese Zuordnung ist äußerst bizarr: Genussscheine sind Wertpapiere, daher in der Regel nicht eindeutig dem sogenannten Graumarkt zuzuordnen. Wahrscheinlich meint die Autorin Genussrechte und hat sich im emotional-missionarischen Eifer des Gefechts, alles pauschal an den Pranger zu stellen, schlicht vertan.

Noch weniger gilt das Graumarkt-Etikett für geschlossene Fonds: Diese sind seit 2013 durch das KAGB vollreguliert und heißen seit acht Jahren AIF. Zuvor aufgelegte geschlossene Fonds sind halt 'geschlossen', also für Neuzeichner nicht mehr zugänglich. Schade, dass 'Der Spiegel' das noch nicht mitbekommen hat. Es hätte der Qualität des Beitrags nicht geschadet. Denn nicht nur die Bezeichnung hat sich geändert: Geschlossene Publikums-AIF nach KAGB sind grundsätzlich 'weißer' bzw. schärfer reguliert als eine Aktien- oder Anleihen-Emission, was auch am Fall 'Wirecard' zuletzt noch einmal deutlich geworden ist. Sofern heute noch geschlossene Publikums-'Fonds' außerhalb des KAGB aufgelegt werden, sind das eine überschaubare Anzahl von KG-Beteiligungen nach Vermögensanlagengesetz. Dabei handelt es sich jedoch überwiegend um Bürgerenergieprojekte. Für solche Projekte ist der Unterhalt einer KVG nicht rentabel. Was will uns also 'Der Spiegel' sagen? Soll die Refinanzierung von Energieprojekten durch Bürger verboten werden oder hält man diese für besonders riskant?

Im Prinzip ist damit aus der Spiegel-Story schon die Luft raus: Man hat aus offensichtlicher Unkenntnis des Marktes und der Regulierung keine klare Vorstellung davon, was Graumarktprodukte eigentlich sind. So befasst sich der Spiegel aktuell auch mit dem Risiko von Ein-Objekt-Immobilienfonds. Kann man machen, hat aber mit Graumarkt nichts zu tun: Denn solche nicht-risikogemischten Immobilienfonds sind seit 2013 nur noch vollreguliert für qualifizierte Privatanleger ab einer Mindestzeichnung von 20.000 € zugänglich. Der Spiegel rekapituliert sodann auch ein bisschen den Fall UDI und verweist dabei – quasi wie in einer Sippenhaft – auf Vermögensanlagen wie Nachrangdarlehen, Genussrechte und Direktinvestments. In der Tat: 'k-mi' hat als einziges Analyse-Medium bereits ab 2009 vor der UDI-Gruppe und deren Produkten gewarnt, auch aufgrund der doppelten Nachrang-Struktur. Im Zusammengang mit Vermögensanlagen kommt das Magazin auch auf 'das Böse' schlechthin zu sprechen: Die Finanzberater! Als Kronzeugin der Anklage fungiert in dem Artikel eine Verbraucherschützerin: "Wer in Graumarktprodukte investiert, tut das nach Erfahrung der Verbraucherschützerin Mayer meist nicht aus Gier, sondern weil er auf fragwürdige Ratschläge von Finanzberatern hört. 'Die meisten Anleger setzen großes Vertrauen in ihre Finanzberater. Das erstaunt mich immer wieder, denn die meisten Berater leben von Provisionen, sind also an Verkäufen interessiert', sagt sie."

Die entscheidenden Informationen fehlen aber in dem Spiegel-Artikel. Wir vermuten, dass sie der Autorin, die sich wohl nicht oft mit Fonds befasst, nicht bekannt sind, nicht dass sie bewusst unterdrückt wurden: ++ UDI wurde im Direktvertrieb unter die Leute gebracht, nicht über Finanzdienstleister. Dies gilt auch für Prokon, das ebenfalls als Beispiel gebracht wird. Für diese beiden Pleiten tragen unabhängige Berater keine Verantwortung, so dass das Erklärungsmuster der angeblich provisionsgierigen Berater hier nicht zieht ++ Um Fälle wie UDI zu verhindern, ist im August das Anlegerschutzstärkungsgesetz in Kraft getreten. Darauf wird im Spiegel aber mit keiner Silbe hingewiesen, obwohl damit für Vermögensanlagen eine Mittelverwendungskontrolle sowie strikte Investitionskriterien vorgeschrieben wurden. Wahrscheinlich ist die Gesetzgebung der Autorin nicht bekannt: ++ Durch Vermögensanlagen, die 'Der Spiegel' pauschal an den Pranger stellt, wurden z. B. durch die MIG Fonds, die seit 2013 als AIF im höchsten Regulierungsstandard des KAGB konzipiert und vertrieben werden, über viele Jahre BioNTech finanziert. Die Anleger – wie auch die Anleger vieler anderer Vermögensanlagen – freuen sich nun über üppige Ausschüttungen. Gehört es nicht zur journalistischen Sorgfaltspflicht, auch dies zu erwähnen bzw. nicht einseitig zu verzerren? Aber wie sollte es auch, wenn es der Autorin bzw. dem 'Spiegel' offenbar gar nicht bekannt ist. Sonst müsste man ja von bewusster Manipulation sprechen.

Weiter verweist 'Der Spiegel' auf P&R und auf Infinus: Was das Hamburger Nachrichtenmagazin dabei weglässt: P&R wurde zu großem Anteil von KWG-regulierten und BaFin-beaufsichtigten Banken verkauft. Gleichermaßen irreführend ist es, die Infinus-Pleite allein dem Graumarkt zuzuordnen: Das INFINUS AG Finanzdienstleistungsinstitut stand unter BaFin-Aufsicht. Ein großer Teil der Infinus-Produkte, wie z. B. der Wertpapierprospekt der Future Business KGaA für Orderschuldverschreibungen sowie der Wertpapierprospekt der ecoConsort AG für Orderschuldverschreibungen, waren 'weiße' bzw. KWG-Produkte! Auch der Genussrechtsprospekt der Prosavus AG wurde durch die Aufsicht gebilligt, da er, so die BaFin, "alle Mindestangaben enthielt, kohärent und widerspruchsfrei war".

Der restliche 'Spiegel'-Artikel klingt in logischen Widersprüchen und zweifelhaften Ratschlägen aus: "Dem Gesetzgeber ist durchaus bewusst, dass die Verquickung von Beratung und Vertrieb problematisch ist. Er hat deshalb festgelegt, dass Berater haften, wenn sie Kundinnen und Kunden fehlerhafte Ratschläge geben oder ihnen unpassende Anlageprodukte empfehlen. Und Produkte des grauen Kapitalmarktes dürfen, anders als Aktien, ausschließlich über Beraterinnen und Berater gekauft werden."  Hiermit spielt der 'Spiegel' wohl auf das jüngst in Kraft getretene Verbot des Eigenvertriebs für Emittenten durch das Anlegerschutzstärkungsgesetz an. Damit widerspricht sich der Spiegel aber selbst: Hintergrund dieses Verbots sind Fälle wie UDI und Prokon, die im Direktvertrieb – d. h. ohne Berater – ihre Produkte verkaufen. Ein paar Zeilen zuvor hatte 'Der Spiegel' – unter Hinweis auf eine 'Verbraucherschützerin' – die Finanzberater noch als die Wurzel allen Übels dargestellt.

Blickt man in die Gesetzesbegründung zum Anlegerschutzstärkungsgesetz, wird klar, dass der Gesetzgeber den Beratern ausdrücklich eine anlegerschützende Rolle beimisst, wenn der Vertrieb von Vermögensanlagen auf die Anlagevermittlung oder die -beratung durch Wertpapierdienstleistungsunternehmen oder Finanzanlagenvermittler beschränkt werden: "Diese stehen unter Aufsicht und haben neben der Angemessenheits- beziehungsweise Geeignetheitsprüfung besondere Verhaltens- und Transparenzpflichten einzuhalten. Sie müssen die entsprechende Sachkunde besitzen und können Anlegern folglich bei der Anlageentscheidung und Auswahl von Vermögensanlagen unterstützend zur Seite stehen. Dabei kann auch eine Personenidentität zwischen dem Anlagevermittler/-berater und dem Anbieter bestehen. In diesen Fällen ist davon auszugehen, dass durch die Aufsicht über die Wertpapierdienstleistungsunternehmen und Finanzanlagenvermittler hinreichender Schutz für die Anleger gewährleistet wird. Anleger sollen also grundsätzlich nicht mehr allein auf die eigene Bewertung der Vermögensanlagen mittels Prospekt bzw. Vermögensanlagen-Informationsblatt angewiesen sein" (BT-Drs. 19/28166). Anders als 'Verbraucherschützer' suggerieren, sind Berater also Teil der Lösung!

Zu guter Letzt tischt 'Der Spiegel' seinen Lesern noch einen fatalen Ratschlag auf: "Wer sich trotz der Risiken an einem geschlossenen Fonds beteiligen oder ein Nachrangdarlehen gewähren will, sollte sich mit Blick auf die Beratungshaftung bei einer großen Bank statt bei einem Einzelkämpfer beraten lassen (….)". Verbraucher sollen also lieber bei Banken deren Konzernprodukte kaufen, als bei einem unabhängigen Berater mit Vermögensschadenhaftpflichtversicherung die Auswahl von verschiedenen Produktanbietern zu haben?

'k-mi'-Fazit: 'Same procedure as every year, James!' Mussten im Hamburger Magazin anscheinend mal eben schnell 1–2 Seiten gefüllt werden? Flugs greift die Redakteurin zum Telefon und spricht mit einem Anwalt und einer Verbraucherschützerin. Fertig ist die Graumarkt-Story! Sollten Sie von Kunden auf diese Märchengeschichte angesprochen werden, legen Sie diesen unsere Widerlegung vor. Legen Sie Ihren Kunden ebenfalls unsere Ausgabe 47/20 vor, in der wir den "Ergebnisbericht Grauer Kapitalmarkt" der BaFin besprochen haben. Der BaFin-Bericht ergab eine relativ hohe Zufriedenheit von Investoren mit 'Graumarktprodukten' und deren Beratern. Oder wie man in einem Hamburger Nachrichtenmagazin einmal sagte: "'k-mi'-Leser wissen mehr!".

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