Das Bundeswirtschaftsministerium/BMWK hat den mit Spannung erwarteten Referentenentwurf zur Änderung der Finanzanlagenvermittlungsverordnung/FinVermV vorgelegt. Durch die dort geplanten Änderungen unterliegen künftig auch Finanzanlagenvermittler und Honorar-Finanzanlagenberater gemäß § 34f und § 34h GewO der Pflicht, im Rahmen der Anlageberatung die Nachhaltigkeitspräferenzen von Kunden zu erfragen und zu berücksichtigen. Einige Branchenverbände und Anwälte hatten noch in der ersten Jahreshälfte 2022 nach oberflächlicher Prüfung der Rechtslage vorschnell unterstellt, dass diese neuen EU-Vorschriften zur Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen einfach automatisch für § 34f ab dem 02.08.2022 gelten. 'k-mi' konnte diese Verunsicherung jedoch schnell klären: Am 13.05.2022 schrieben wir in 'k-mi' 19/22, dass "Nachhaltigkeitspräferenzen nicht für § 34f gelten!" Unsere Auffassung wurde einen Monat später offiziell vom BMWK bestätigt. Allerdings war zu diesem Zeitpunkt auch schon "davon auszugehen, dass die neuen EU-Vorgaben über kurz oder lang auch für Finanzanlagenvermittler umgesetzt werden", wie wir in 'k-mi' 19/22 bereits Mitte Mai 2022 prognostizierten (vgl. 'k-mi' 17/22, 19/22, 20/22, 21/22, 23/22). Nun nimmt diese Umsetzung für § 34f Formen an:
Je nach Zeitpunkt des entsprechenden Bundesrats-Beschlusses könnten die neuen Regeln zur Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen voraussichtlich im Frühjahr oder Sommer 2023 im Kraft treten. Vorher sind allerdings eine Reihe von Punkten und Zweifelsfragen zu klären, die sich aus dem aktuellen Referentenentwurf ergeben. Dies betrifft nicht zuletzt die Kosten. Die nun anstehenden Änderungen summieren sich für 34f-Vermittler auf eine Mehrbelastung von 100 Mio. € jährlich: "Durch diese 1:1-Umsetzung von EU-Vorgaben entstehen Bürokratiekosten aus Informationspflichten in Höhe von 101 Mio. € pro Jahr", heißt es dazu im aktuellen Referentenentwurf. Zu ergänzen wäre hier nach unserer Einschätzung allerdings: "Bürokratiekosten aus Informationspflichten in Höhe von mindestens 101 Mio. € pro Jahr." Denn die Kostenschätzung beruht darauf, dass "die Abfrage und Zusammenstellung von Informationen über die Nachhaltigkeitspräferenzen der Kunden im Durchschnitt einen Zeitaufwand von 6 Minuten pro Fall verursachen“. 6 Minuten, um das ambitionierteste Projekt der EU in den letzten Jahrzehnten umzusetzen? Macht man für 6 Minuten eigens eine Reform?
Die Nachhaltigkeitspräferenzen der Kunden müssen ja nicht nur eingeholt, sondern man muss diese auch "bei der vorzunehmenden Eignungsbeurteilung berücksichtigen". Hinzu kommt noch die entsprechende – sehr komplexe – Produktauswahl, die den Präferenzen entsprechen soll, damit das Ganze überhaupt einen Sinn ergibt. Dass sich dies alles in 6 Minuten abwickeln lässt, dürfte schlicht praxisfern sein. Unterstellt man für den gesamten Prozess – etwas realitätsnäher – 30 Minuten, türmen sich die Mehrkosten für die 34f-Vermittler z. B. schon auf 500 Mio. € pro Jahr auf! Es bleibt letztlich ein Widerspruch in sich: Niemand in der Branche dürfte ernsthaft daran glauben, dass man mit 6 Minuten pro Kunde und Jahr eine nachhaltige Finanzberatung gewährleisten, geschweige denn damit einen messbaren Beitrag zum Klimaschutz leisten kann.
'k-mi'-Fazit: Die enormen Mehrkosten für 34f-Vermittler belasten vor allem die ohnehin kostenintensive Anlageberatung. Dabei sollte man auch berücksichtigen, dass die neuen Pflichten in Bezug auf die Nachhaltigkeitspräferenzen nichts mit Anlegerschutz etc. zu tun haben. Sie entspringen im wesentlichen nur den experimentellen Vorstellungen der EU-Bürokratie, wie eine nachhaltige Finanzwirtschaft zur Unterstützung des Klimaschutzes einmal aussehen soll. Und stehen den administrativen Mehrbelastungen zusätzliche Umsatzchancen für Vermittler und Berater gegenüber? Das hängt letztlich von der Produktwelt ab. Die Nachhaltigkeitsvorgaben der EU hierfür sind aber ebenso experimentell bzw. alles andere als transparent und trivial! Wir werden uns mit der Bundesarbeitsgemeinschaft Mittelständischer Investmentpartner/BMI an dem Konsultationsprozesses zum Verordnungsentwurf beteiligen und halten Sie über den Fortgang auf dem Laufenden!