Seit mehr als zwei Jahren tritt immer wieder das ‚Phänomen‘ auf, dass einige Versicherer unbefristeten Vollmachten ein Verfallsdatum andichten. Dabei sollten diese doch wissen, dass eine unbefristete Vollmacht gültig bleibt, bis sie vom Vollmachtgeber widerrufen oder vom Vollmachtnehmer zurückgegeben wird. Die Rechtsgrundlage ergibt sich aus §§ 167 ff. BGB. Wenn wir über das angedichtete ‚Verfallsdatum‘ sprechen, dann meinen wir den ‚Klassiker‘, nämlich die Zurückweisung, weil die Vollmacht angeblich zu alt sei.
So bspw. wenn die Zurich Versicherungen einem Makler antworten „Gemäß interner Arbeitsanweisung sind Mandate, welche älter als 24 Monate sind, zurückzuweisen. Bitte reichen Sie uns eine Willenserklärung jüngeren Datums ein“ (vgl. ‚vt‘ 09/20; https://tinyurl.com/yxkvdqcu). Ein anderer Fall liegt vor, wenn dem Versicherer bspw. eine von einem anderen Versicherungsmakler eingereichte Vollmacht mit jüngerem Datum vorliegt.
Daher gilt es, jeden Vorgang genau zu beleuchten, so auch im aktuellen Fall eines oberfränkischen Versicherungsmaklers mit der VHV Allgemeine Versicherung AG: Wie der Versicherungsmakler schildert, hat er am 21.12.2020 unter Vorlage der 2009 erteilten unbefristeten Vollmacht und unter Angabe der VS.-Nr. zu einer Unfallversicherung um Bestandsübertragung gebeten. Mit Schreiben vom 06.01.2021 teilt die VHV dem Versicherungsmakler mit, dass „der eingereichte Maklerauftrag bereits vom 17.02.2009“ datiert. Die VHV benötige „für die Bestandsübertragung einen aktuellen Maklerauftrag“.
Den Grund teilt die VHV nicht mit. Den Vorgang haben wir dem VHV-Vorstandssprecher Thomas Voigt und dem VHV-Vertriebsvorstand Dr. Angelo O. Rohlfs auf den Tisch gelegt und um Stellungahme gebeten, u. a. zu folgenden Fragen: ++ Warum benötigt die VHV einen aktuellen Maklerauftrag? ++ Unterliegen nach Auffassung der VHV unbefristete Vollmachten einem Aktualitätserfordernis? ++ Auf welche rechtliche Regelung stützt die VHV die Vorgehensweise, ‚ältere‘ Vollmachten zurückzuweisen?
„Bei der VHV gilt der Grundsatz, dass jede vom Versicherungsnehmer erteilte Maklervollmacht anerkannt wird. Das Alter der Maklervollmacht bzw. das Datum der Erteilung der Maklervollmacht spielt dabei keine Rolle“, teilt die VHV mit. Das ist löblich und entspricht dem BGB, allerdings schränkt die VHV ein:
„Im Einzelfall kann jedoch eine Aktualisierung der unbefristeten Vollmacht erforderlich sein, etwa wenn der Versicherungsnehmer in der Zwischenzeit einen anderen Vermittler mit der Betreuung beauftragt hat oder eine Betreuung durch die VHV wünscht. Hierin kann – im Einzelfall – ein ausdrücklicher oder konkludenter Widerruf der bestehenden Vollmacht des ursprünglich betreuenden Maklers liegen. Diese Praxis dient immer dem Schutz des Versicherungsnehmers und der Vermittler: Liegen uns zwei verschiedene Maklervollmachten vor, zählt die aktuellere.“
Hier spielt die VHV auf den in der Praxis gelegentlich auftretenden Fall an, bei dem es zwei Vermittler gibt, die der Auffassung sind, dass sie der Betreuer des VN sind. Solche Situationen bedürfen natürlich der Klärung. Da die VHV betont, dass bei zwei verschiedenen Maklervollmachten die aktuellere zählt und im Falle des fränkischen Versicherungsmaklers von diesem eine aktuelle Vollmacht abgefordert wurde, müsste der VHV ja die Vollmacht eines anderen Maklers mit aktuellerem Datum vorliegen. Wäre das so, stellt sich die Frage, warum die VHV den Makler nicht darüber informiert hat.
Die Antwort der VHV an ‚vt‘ passt also nicht zur Antwort der VHV an den Versicherungsmakler. Offenbar arbeitet die VHV hier mit Nebelkerzen, zumal der fränkische Versicherungsmakler über den Vertragsverlauf aufklären kann: „Die Unfallversicherung läuft seit 2003, der Ursprungsvermittler ist uns nicht bekannt. Der VN hat früher in Oberbayern gewohnt und war mit dem Altvermittler befreundet, dieser ist 2020 in Ruhestand gegangen und der VN hat uns beauftragt, den Vertrag in unseren Bestand zu übernehmen. Der VN hat bereits diverse Versicherungen über uns bei der VHV.
Wir fassen zusammen: ++ Die Vollmacht für den Franken stammt aus dem Jahr 2009 ++ Der Vertrag wurde 2003 vermittelt ++ Dass ein Makler während der Laufzeit eines Vertrages eine zweite, aktuellere Vollmacht des Mandanten vorlegt, wäre höchst ungewöhnlich ++ Hat der Ursprungsvermittler seinerzeit die Vollmacht vorgelegt, wurde sie 2003 oder früher erteilt und ist demnach älter (!) als die von Versicherungsmakler S. vorgelegte Vollmacht!
Da unser Augenmerk nicht auf einem reißerischen Bericht liegt, sondern es uns darum geht, mit Aufklärung dafür zu sorgen, dass Versicherer Versicherungsmaklern keine Steine in den Weg legen, machen wir die VHV auf den Widerspruch aufmerksam und haken nach:
„Sie schildern eine Situation, die immer mal wieder vorkommt. Wenn man dem Makler mit der älteren Vollmacht das mitteilt, dann versteht er auch, dass der Versicherer die neuere Vollmacht würdigen muss. Aber genau die von Ihnen allgemein geschilderte Konstellation scheint ja in dem konkreten Fall nicht vorzuliegen, im Gegenteil, dem Makler wurde ja mitgeteilt, seine Vollmacht sei von 2009, und die VHV benötige eine aktuelle.“
Daher bitten wir die VHV nochmals um Prüfung und Beantwortung der Fragen: ++ Liegt der VHV zu diesem Vertrag eine Vollmacht vor, die aktueller ist als die, die Versicherungsmakler S. eingereicht hat? ++ Wenn ja, warum weist die VHV im Schreiben vom 06.01.2021 nicht darauf hin, dass eine aktuellere Vollmacht vorliegt?
„Wir haben den von Ihnen angeführten Vorgang des Vermittlers (…) geprüft. Unseren Vertriebspartner, Herrn S., werden wir selbstverständlich direkt über das Ergebnis unserer Prüfung informieren. Generell werden Aktualisierungen der unbefristeten Maklervollmachten nur in Einzelfällen angefragt: Beispielsweise bei Bestandsübertragung von Personenversicherungen mit sensiblen Daten wie es in der Unfall- oder Lebensversicherung der Fall ist. Diese Praxis dient immer dem Schutz des Versicherungsnehmers und der Vermittler. Zudem unterliegen wir als Versicherer einer besonderen Verschwiegenheitspflicht bei Personenversicherungen (etwa einer Unfallversicherung), die ebenfalls die Anforderung einer aktuellen Willenserklärung des Kunden erfordern kann“, erläutert die VHV nun.
Wenn es mit der Nebelkerze ‚aktuelle Vollmacht eines anderen Maklers liegt vor‘ nicht klappt, folgt die Nebelkerze ‚Datenschutz‘ und ‚sensible Daten‘? Wenn es tatsächlich ein Datenschutz-Problem mit der Vollmacht gegeben hätte, dann hätte die VHV das dem Versicherungsmakler auch genau so mitteilen können und müssen. Hat die VHV aber nicht, sondern ausschließlich auf das Alter der Vollmacht hingewiesen und mitgeteilt, dass die VHV Versicherungen „für die Bestandsübertragung einen aktuellen Maklerauftrag benötigen“.
Doch dieser Fall ist kein Einzelfall. Offenbar gibt es bei der VHV ein Standardschreiben, wenn es um einen Bestandsübertragungswunsch geht. Das liegt uns wortgleich zu dem hier genannten vor, bloß anderer Makler und anderes Datum. Auch die pauschale und zugleich fehl gehende Antwort an ‚vt‘, es könne ein aktuellerer Betreuungswunsch vorliegen, ist nicht neu (vgl. ‚vt‘ 08/19 „Bei der VHV ist eine frische Maklervollmacht bereits veraltet“, https://tinyurl.com/4fsk9b93).
Wir schließen daraus: Bei der VHV liegt eine Arbeitsanweisung nebst Standardschreiben vor, die den individuellen Fällen und dem BGB nicht gerecht werden. Fallbezogene Arbeitsanweisungen und Weiterbildung der Sachbearbeiter wären da anzuraten. Wir haben aber auch eine positive Nachricht: Neun Tage nach unserer Anfrage an die VHV-Vorstände Voigt und Dr. Rohlfs teilt uns der Versicherungsmakler mit: „Die VHV hat mittlerweile den Vertrag in unseren Bestand übertragen.“ Nachgereicht habe er der VHV dazu aber nichts mehr. Demnach hat die ‚alte‘ Vollmacht doch ausgereicht für die Bestandsübertragung.
‚vt‘-Fazit: ++ Es ist bedauerlich, dass die VHV zu den ‚Top Ten‘ bei der Nennungshäufigkeit der von Versicherungsmaklern genannten Vollmachtsablehner gehört – wie u. a. auch HUK, LVM, Allianz, AXA, Ergo und Zurich (vgl. Spezial Recht zu ‚vt‘ 07/21). Wer Maklerversicherer sein will, hat hier noch viel Luft nach oben ++ Dass die VHV die Vollmacht erst nach der ‚vt‘-Intervention anerkannt hat, zeigt: Lassen Sie sich von solchen Versicherern nicht die Zeit für wichtige Beratungen klauen, legen Sie uns die Probleme auf den Tisch – wir haken bei den Versicherern nach. Steter Tropfen höhlt den Stein!
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