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Provisionsverbot: Was sagen die OECD-Daten wirklich?

Mit den Ergebnissen einer Studie, basierend auf OECD-Daten, plädiert ein dreiköpfiges Forscher-Team der Uni Regensburg für ein Provisionsverbot ('Die Auswirkungen von Provisionsverboten auf das Vermögen der Haushalte: Erkenntnisse aus OECD-Ländern'). Dass Wissenschaftler sich so unmittelbar in Politik 'ein­mischen', ist eher ungewöhnlich. Insbesondere, wenn man berücksichtigt, wie die Regensburger Studie vorgeht. In der 'k-mi'-Ausgabe 16/23 sind wir kritisch auf diese Studie eingegangen, insbesondere auf die "Modellrechnung", die sich als plumpe Excel-Zinseszins-Rechnung entpuppt, und das Versäumnis der Studie, z. B. aktuelle ESMA-Daten zur Performance und (Vertriebs-)Kosten von Fonds und ETF hinzu zu ziehen.

Aber werfen wir auch einen genaueren Blick darauf, was die Studie der Uni Regensburg mit den OECD-Daten gemacht hat: Dort hat man aus den Jahren 1997–2020 die OECD-Daten zum Vermögen der privaten Haushalte von Australien, Dänemark, Finnland, Großbritannien, Niederlande und Norwegen verglichen mit einer Gruppe von Ländern, (anscheinend) bestehend aus z. B. Griechenland, Ungarn, Irland, Mexiko, Türkei, Tschechien, Estland, Slowakei, Südafrika und Indien. Kaum über­raschend findet die Uni Regensburg heraus, dass die Entwicklung in den erstgenannten sechs Ländern besser ist und kennt auch angeblich den Grund bzw. suggeriert eine Kausalbeziehung: "Das Vermögen der Haushalte in Ländern mit Provisionsverbot wuchs signifikant stärker als in Ländern ohne Provisionsverbot. Das Forscherteam bemisst den um länderspezifische Effekte bereinigten Renditeunterschied auf 1,7 % p. a. und appelliert an die EU-Kommission, ein allgemeines Verbot von Provisionen bei der Anlageberatung umzusetzen.“

Methodische Fragwürdigkeiten der Regensburger Studie:

Nun stellt sich zunächst die spannende Frage: Würden die genannten ersten sechs Länder (Aus­tralien, Dänemark, Finnland, Großbritannien, Niederlande und Norwegen) sich in punkto Vermögen der privaten Haushalte nicht auch ohne Provisionsverbot besser entwickeln als die zusammengewürfelte Vergleichsgruppe? Norwegen und Australien sind u. a. Rohstoff-Champions, Finnland Bildungseuropameister, England Internationales Finanzzentrum, Niederlande ist eine der größten Logistik-Drehscheiben in Europa und Dänemark Sozialstaat-Musterland und Pionier z. B. bei Erneuerbaren Energien. Provisionsverbot hin oder her, diese Länder würden in jedem Ranking ganz gut abschneiden und wahrscheinlich immer besser als die gemittelte 'Resterampe' der OECD-Vergleichsgruppe: Dass die Prosperität der Länder nicht auf die Vermögen der privaten Haushalte durchschlägt, wäre vollkommen unplausibel und müsste erst mal begründet werden.

Denn: Mit Einkommen, Bildung, Freizeit, Zugang zu Beratung und entsprechender Infrastruktur, Zinsniveau, Inflation, Energiepreisen, wirtschaftliche Entwicklung, Rentensystem, Immobilienbesitz usw. kommen hier viele Faktoren zusammen, die Einfluss auf das Vermögen privater Haushalte haben. Der Erwartungswert wäre u. E., dass die genannten sechs Länder (Australien, Dänemark, Finnland, Großbritannien, Niederlande und Norwegen) auch ohne Provisionsverbot die Nase in Vermögensrankings weit vorne haben. Die Studie der Uni Regensburg will diese Unterschiede aber nur auf einen einzigen Faktor reduzieren, nämlich Unterschiede in der Vergütungsstruktur bei Finanzanlagen. Der Weg dahin bleibt weitgehend intransparent.

Dazu werden von der Regensburger Studie diverse statistische Korrekturfaktoren auf die OECD-Daten angewandt, die allerdings nicht näher erläutert werden und daher intransparent bleiben. Auch der Vermögensbegriff der Studie selbst ist methodisch schwammig bzw. weicht von den OECD-Standards ab: Der Begriff 'savings' wird u. E. einmal in der Bedeutung 'Ersparnis' verwandt, an anderer Stelle aber als (nicht investierte) Ersparnisse. Am Ende kommt heraus, dass z. B. jeder in den Niederlanden investierte Euro – Jahr für Jahr – automatisch um 1,7-%-Punkte besser investiert wird als bei uns. Eine genaue Begründung oder den Nachweis einer Kausalität dafür – also z. B. aufgrund geringerer Kosten oder besserer Vermögensbetreuung – bleibt die Studie allerdings schuldig

Damit wird auch ein weiteres Problem der Regensburger Studie offenbar: Durch die dort vorgenommene Bereinigung "um länderspezifische Effekte" ist die Studie blind für einen möglichen Einfluss eines Provisionsverbots auf die Vermögensstruktur der Privathaushalte und ggf. zu erwartende Veränderungen. Denn dies wird in der Studie gar nicht untersucht, sondern bewusst (statistisch) nivelliert: So heißt es in der Regensburger Studie (Übersetzung durch 'k-mi'): "Abbildung 5 zeigt die Unterschiede zwischen den Ländern bei den Aktieninvestitionen. Diese lassen sich zum Teil durch eine unterschiedliche Börsenkultur, aber auch durch unterschiedliche Steuersysteme in den einzelnen Ländern erklären. In unserem Papier konzentrieren wir uns jedoch auf die Rendite des investierten Vermögens und nicht auf die Verteilung des Vermögens. In unserem Modell werden wir Probleme mit länderspezifischen Faktoren durch die Einbeziehung von 'country fixed Effects' und 'heteroskedasticity corrected standard Error' überwinden."

Sind die derart statistisch bearbeiteten – um nicht zu sagen 'frisierten' – OECD-Daten aber der einzige Weg, sich der Fragestellung zu nähern? Das bezweifeln wir. 'k-mi' hat die OECD-Daten selbst in Augenschein genommen und ausgewertet, allerdings zunächst bzw. vorab ohne statistische Korrekturen bzw. Manipulation.

Welche Daten haben wir ausgewertet: OECD-Daten zu den Finanzvermögen der privaten Haushalte von 1995–2021 (Household financial assets). Diese werden gemäß OECD wie folgt definiert: "Finanzielle Vermögenswerte, wie z. B. Sparguthaben, Anlagen in Aktien und Anleihen, bilden einen wichtigen Teil des Gesamtvermögens der privaten Haushalte und sind eine wichtige Einnahmequelle, entweder durch den Verkauf dieser Vermögenswerte oder als Quelle von Vermögenseinkommen (wie Zinsen und Dividenden). Rentenansprüche werden nur berücksichtigt, wenn sie sich auf (kapitalgedeckte) beschäftigungsbezogene Systeme beziehen, was die länderübergreifende Vergleichbarkeit in erheblichem Maße beeinträchtigen kann. Kurzfristige Entwicklungen können je nach dem Risikoprofil der Vermögenswerte recht unterschiedliche Bewegungen aufweisen. Der Wert von Aktien zum Beispiel kann über die Jahre eine relativ hohe Volatilität aufweisen." Die Indikatoren stellen das gesamte Finanzvermögen der Haushalte pro Kopf in US-Dollar zur aktuellen Kaufpreisparität dar oder – je nach Betrachtung – den Anteil von bestimmten Vermögenswerten.

Welche Länder haben wir betrachtet: Neben den von der Uni Regensburg herangezogenen sechs Ländern Australien, Dänemark, Finnland, Großbritannien, Niederlande und Norwegen mit angeblichen Provisionsverboten haben wir Deutschland und fünf weitere Länder als Vergleichsgruppe zugrundegelegt. Deutschland ist klar, da sich die Studie direkt an die deutsche Politik wendet. Als weitere Länder haben wir ausgewählt: Frankreich, Österreich, Luxemburg, Schweiz und die USA. Also – zwecks Vergleichbarkeit – die unmittelbaren Nach­barn sowie die USA als globale Vergleichsgröß

Ein erster Blick auf die Daten (siehe Liniendiagramm links, Darstellung 'k-mi') zeigt schon mal, dass die USA und die Schweiz die größten Zuwächse bei privaten Finanzvermögen zu verzeichnen hatten. Dort gibt es bekanntlich kein Provisionsverbot. In den Niederlanden (Provisionsverbot) gab es zuletzt sogar einen Rückgang: Eine erste Annäherung an die OECD-Daten widerspricht also der Regensburger Studie! Im nächsten Teil blicken wir noch genauer auf die Daten, also welche Einflüsse Provisionsverbote auf die Vermögensstruktur in den Ländern hatten (oder auch nicht) und wie die Zuwächse dort z. B. gegenüber der Entwicklung in Deutschland waren. (Beitrag wird fortgesetzt)

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