Mit den Ergebnissen einer Studie, basierend auf OECD-Daten, plädiert ein dreiköpfiges Forscher-Team der Uni Regensburg für ein Provisionsverbot ('Die Auswirkungen von Provisionsverboten auf das Vermögen der Haushalte: Erkenntnisse aus OECD-Ländern'). Dass Wissenschaftler sich so unmittelbar in Politik 'einmischen', ist eher ungewöhnlich. Insbesondere, wenn man berücksichtigt, wie die Regensburger Studie vorgeht. In der 'k-mi'-Ausgabe 16/23 sind wir kritisch auf diese Studie eingegangen, insbesondere auf die "Modellrechnung", die sich als plumpe Excel-Zinseszins-Rechnung entpuppt, und das Versäumnis der Studie, z. B. aktuelle ESMA-Daten zur Performance und (Vertriebs-)Kosten von Fonds und ETF hinzuziehen. In Teil 1 dieser Beilage (vgl. 'k-mi'-sp 17/23) hatten wir zudem einen kritischen Blick auf die Methodik geworfen, mit der die Uni die OECD-Daten 'passend' gemacht hatte, und uns den OECD-Daten ungefiltert genähert. Dies setzen wir nun fort:
In der folgenden Grafik haben wir die Entwicklung der OECD-Daten zu den Finanzvermögen der privaten Haushalte (Household financial assets) aus den Jahren 1995–2021 dargestellt, nun begrenzt auf die vier Länder USA, Deutschland, Niederlande und Großbritannien (zur Definition und zur Darstellung mit 12 Ländern vgl. 'k-mi'-Special 17/23).
Hierbei ist zu berücksichtigen, dass dieser Indikator nicht alle 'net worth'-Vermögensfaktoren abdeckt (z. B. keine Schulden/Kredite und Immobilien), sondern vor allem Finanzprodukte, bei denen Vertriebskosten stärkere Relevanz haben. Auffällig ist, dass die USA sich bei der Wertentwicklung immer weiter von den europäischen Ländern absetzen kann. Dies dürfte ein Beleg oder mindestens ein Indiz dafür sein, dass für den Kundennutzen nicht primär Provisionsverbote ausschlaggebend sind, sondern ggf. moderate Steuern und verhältnismäßige Regulierung. Im europäischen Binnenvergleich dürfte dies ähnlich sein: Aus den OECD-Daten wird z. B. deutlich, dass das Pro-Kopf-Finanzvermögens in den Niederlanden und Großbritannien bereits lange vor Einführung des jeweiligen Provisionsverbots über den Werten in Deutschland lag. Ein direkter Einfluss eines Provisionsverbots ist hier nicht sichtbar.
Werfen wir aber einen genauen Blick darauf: In den Niederlanden wurde das Provisionsverbot 2013 eingeführt. In den Jahren 2014–2021 wuchs das Pro-Kopf-Finanzvermögen dort um 42,5 %, also annualisiert um ca. 6,1 % p. a. Zum Vergleich: In Deutschland betrug der Anstieg im selben Zeitraum 50,3 % bzw. 7,2 % p. a., war also signifikant besser. Sind diese Zahlen ein Argument für ein Provisionsverbot? Wir glauben nicht. Aber schauen wir nach Großbritannien: Dort wurde das Provisionsverbot ein Jahr früher, also 2012, eingeführt: Das durchschnittliche Pro-Kopf-Finanzvermögen in UK ist seitdem bzw. ab 2013 um 42,4 % bzw. ca. 5,3 % p. a. gestiegen. Zum Vergleich Deutschland: Dort gab es einen Anstieg von 58 % bzw. 7,25 % p. a. Auch in diesem Datenvergleich schneidet das Land mit Provisionsverbot also deutlich schlechter gegenüber Deutschland ab! Die Ergebnisse der Regensburger Studie sind also kontraintuitiv: Nach der Studie der Uni Regensburg hätte sich für UK und die Niederlande gegenüber Deutschland ein Zuwachs von ca. 13 % bzw. 14 % ergeben müssen.
Wieso aber liegt die Uni Regensburg mit den Spekulationen in ihrer Studie angesichts dieser Beispiele so weit weg von den realen OECD-Daten? Eine mögliche Erklärung ist: Die Studie der Uni Regensburg verwendet einen modifizierten Vermögensbegriff und nivelliert länderspezifische Unterschiede (vgl. 'k-mi'-sp 17/23). Besonders plausibel erscheint uns das nicht: In Ländern mit Provisionsverbot grassiert nachgewiesenermaßen eine Beratungslücke (vgl. die Ergebnisse der Kantar-Studie in 'k-mi' 10/23). Wenn nur noch eine privilegierte und kleine Minderheit Zugang zu Beratung hat, kann diese noch so toll sein: Unter volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten des Anlegerschutzes kann dies kein Argument für ein Provisionsverbot sein.
Aber führen Provisionsverbote wenigstens – wenn sich schon keine Mehrrendite nachweisen lässt – zu Änderungen in der Vermögensstruktur der Haushalte, z. B. zur Umschichtung zuletzt schwach verzinster Spareinlagen zugunsten von Anlageklassen mit besserer Rendite? Auch diese Frage ist eigentlich naheliegend. Die Regensburger Studie kann dies aufgrund ihrer methodischen Einschränkungen (vgl. 'k-mi'-sp 17/23) gar nicht erfassen, daher haben wir einen Blick darauf mit den OECD-Daten geworfen. Um es gleich vorwegzunehmen: Wir haben keine Anhaltspunkte dafür gefunden, dass Provisionsverbote einen entsprechenden positiven Effekt auf die Asset Allocation hätten:
In der rechts nebenstehenden OECD-Grafik ist der Anteil von Investmentfonds am Haushalts-Finanzvermögen der vier Länder dargestellt (D, NL, UK, USA, 2022er Daten noch unvollständig). Nur in Deutschland ist der Fonds-Anteil in dieser Gruppe zuletzt signifikant angestiegen. In den Ländern mit Provisionsverbot stagniert der Anteil auf niedrigem Niveau. Ein weiteres Beispiel: Bargeld und Einlagen. Hier ist der Anteil in Deutschland relativ hoch, was auf Optimierungsbedarf hindeutet. Aber auch in den Niederlanden und in UK sind im Zeitraum des Provisionsverbots keine nennenswerten Umschichtungen erkennbar.
'k-mi'-Fazit: Auch in den weiteren Anlageklassen ergeben sich bei den hier betrachteten vier Ländern Unterschiede, die aber bereits weit vor Einführung der jeweiligen Provisionsverbote in Großbritannien und den Niederlanden bestanden: Dort ist der Anteil von Pensionsfonds relativ hoch, in Deutschland z. B. der Anteil der Lebensversicherungsrücklagen. Signifikante oder dauerhafte Verschiebungen und Veränderungen z. B. um mehr als 5-%-Punkte, sind jedoch aus den Daten nach Einführung der Verbote nicht abzulesen. Insofern sind Auswirkungen eines Provisionsverbots – geschweige denn positive – nicht erkennbar. Auch die von der Studie der Uni Regensburg behaupteten "signifikanten Vermögenssteigerungen" durch ein Provisionsverbot (vgl. 'k-mi'-Ausgabe 16/23) können wir anhand der OECD-Daten nicht nachvollziehen, eher im Gegenteil. Wie kommt die Uni Regensburg aber nun zu ihren Ergebnissen? Nach unserer Auffassung und Sichtung der OECD-Daten werden die Behauptungen der Studie erreicht mit für uns intransparenten statistischen Modifikationen, die zudem die Aussagekraft deutlich einschränken.
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